Ob und wie jüdische Filmschaffende ihre jüdische Identität in ihrer Arbeit zur Geltung bringen oder sie verbergen, ist Thema einer Ausstellung im jüdischen Museum Frankfurt, über die Walter H. Krämer einen Überblick bietet.
Die Ausstellung „Ausgeblendet /
Eingeblendet“ – kuratiert von Dr. Lea Wohl von Haselberg und
Johannes Praetorius-Rhein – hat den Anspruch, die Geschichte jüdischer
Filmschaffender in der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen und
darzustellen. Daher setzt sie den Ausblendungen jüdischer Biografien das
Einblenden der jüdischen Erfahrung in deren Werk und Wirken
entgegen.
Die Ausstellung beginnt und endet mit einer eigens beauftragten
Zwei-Kanal-Video-Installation, in der
zeitgenössische Filmschaffende wie u.a. Dani Levy, Alice Brauner, Samuel
Finzi und Jeanine Meerapfel erzählen, inwiefern sie ihr Jüdischsein im
Filmschaffen lieber ein- oder ausgeblendet sehen wollen. Diese
Installation eröffnet und beendet einen Ausstellungsrundgang, der in
sechs Räume unterteilt und chronologisch aufgebaut ist.
Im Zentrum jedes Raums stehen Biografien und Filmausschnitte,
die jeweils in den Produktions- und Rezeptionskontext eingeordnet
werden. Neben Filmdosen und kameras sind Dokumente und
Plakate, Kostüme und Uniformen, Film und Fernsehausschnitte
zu sehen. Es macht also Sinn, etwas Zeit und Muse mitzubringen, um sich
auf die vielfältigen Angebote einlassen zu können.
In Raum 1 – Auf / Brüche – wird anhand der Biografien von Artur Brauner, Erich Pommer, Walter Koppel und Gyula Trebitsch die Bedeutung überlebender und zurückgekehrter Juden und Jüdinnen für die Filmproduktion der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik deutlich.
Im Mittelpunkt von Raum 2 – Scheinwerfer & Scheuklappen – stehen die Schauspieler*innen Lilly Palmer und Peter Lorre – mitsamt Kostüm und Filmausschnitten. Und das Lied „Oh mein Papa“ (Ausschnitt aus dem Film ‘Feuerwerk’ von 1954) gesungen von Lilly Palmer ist ein wunderbarer Moment um zuzuhören und innezuhalten.
Raum 3 – Weder Bühne, noch Leinwand – Willkommen beim Fernsehen! – lädt ein ins bürgerliche Wohnzimmer. Hier kann man bequem auf den umstehenden Sesseln und Sofas Platz nehmen und sich Ausschnitte aus Fernsehproduktionen ansehen. Für Theaterbegeisterte Besucher der Ausstellung empfehle ich einen Ausschnitt aus der Fernsehsendung Das literarische Kaffeehaus von 1965. Dor unterhalten sich die beiden jüdischen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Hans Mayer mit dem Regisseur Fritz Kortner und diskutieren u. a. über den Realismus des Absurden Theaters.
Raum 4 – Verloren in der Familienaufstellung des deutschen Films – thematisiert den Bruch zwischen dem Nachkriegskino und dem neuen deutschen Film. Das Oberhausener Manifest von 1962 formuliert das Ende von „Papas Kino“ und der Dokumentarfilmer Erwin Leiser findet Beachtung mit seinem Film „Mein Kampf“ – einer der ersten Filme, der sich explizit mit der Verfolgung und Ermordung der Juden vor und während des Zweiten Weltkriege beschäftigt. Der Film „Die Verliebten“ von Jeanine Meerapfel führt in das ehemalige Jugoslawien, wo die Journalistin Katharina den Heimatort ihrer Eltern besucht, die als Gastarbeiter*innen nach Westdeutschland emigrierten. Unterwegs trifft sie Peter, der das Land bereist, um die Orte der Kriegsverbrechen der Wehrmacht – und damit auch die seines Vaters – aufzusuchen. Der Film wurde 1987während der Filmvorführung auf der Berlinale ausgebuht und fand nie den Weg in die Kinos. In einem Videobeitrag berichtet die Regisseurin von dieser Erfahrung.
Raum 5 – Es war mir ein Vergnügen – zeigt die neue Sichtbarkeit von Jüdinnen und Juden in Film und Fernsehen der frühen 1970er Jahre am Beispiel von Esther Ofarim, Towje Kleiner und Hans Rosenthahl.
In Raum 6 – Von Masken und Spiegeln – geht es um die mediale Erinnerungskultur – ausgelöst durch die Ausstrahlung der amerikanischen Fernsehserie Holocaust 1979. Hier beginnt eine Phase der späten Anerkennung des Massenmordes und eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten. Beispielhaft geht man hier auf Biografie und Werk von Karl Fruchtmann und Thomas Brasch ein.
Bleibt zum Schluss noch der Hinweis auf die mehr als gelungene
Ausstellungsarchitektur, die Bezug nimmt auf das Studio und deren
Nachhaltigkeit, auf die die Direktorin des Museums, Frau Prof. Dr.
Mirijam Wenzel, ausdrücklich hinwies – zu Recht und anderen
Kulturinstitutionen der Stadt zur Nachahmung empfohlen:
„Die Trennung der sechs Räume erfolgt durch ein Baugerüst, das
Durchgänge und -blicke zwischen den Studios ermöglicht und damit – den
kuratorischen Ansatz verbildlichend – einen Rhythmus zwischen Stage und
Backstage erzeugt. Die Oberflächen des Baugerüsts wurden mit
unterschiedlichen Textilien bespannt, die zugleich als Träger für die
zahlreichen Filmprojektionen dienen. Durch das gemietete Baugerüst wurde
der Einsatz von zirka 850 Quadratmetern Span-platte eingespart, die
ansonsten für den Bau konventioneller Leichtbauwände nötig gewesen
wären.
Auch im Kleineren trägt die Gestaltung der Ausstellung der
Nachhaltigkeit Rechnung: Die meisten Vitrinen wurden bereits bei anderen
Ausstellungen des Museums genutzt, Trägermaterialien für Grafiken,
Texte und Bildreproduktionen bestehen aus recyclingfähigen Wabenpappen,
die Metalloberflächen einer Wandbekleidung aus gebrauchten
Aluminiumplatten. Die ursprünglichen Motive auf den Platten sind, wie es
der Zufall will: Filmplakate.“
Zur Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit
kommentierten Filmvorführungen, Buchvorstellungen und Gesprächen
statt.
Das gesamte Programm ist unter www.juedischesmuseum.de/
veranstaltungskalender zu finden.
Der Katalog zur Ausstellung ist im Hanser Verlag erschienen und kostet
28,00 €