Ab dem 5. Mai 2024 präsentiert das Kunstforum der TU Darmstadt in Kooperation mit dem Weltkulturen Museum Frankfurt die Ausstellung »MILLI BAU. 5000 km bis Paris«. Die Ausstellung ist ein Partnerprojekt von RAY – Triennale der Fotografie 2024. Die Ausstellung im TU Kunstforum und im öffentlichen Raum Darmstadts würdigt erstmals in diesem Umfang das Schaffen der Journalistin und Fotografin Milli Bau (*1906 Darmstadt - † 2005 ebd.). Ihre eindrucksvollen Fotografien, von denen etwa 800 in der Ausstellung zu sehen sind, bezeugen die mehr als 40 Reisen, die Bau ab 1948, später als Feuilleton-Publizistin der Hamburger »Welt«, unternommen hat. Sie sind ein Zeichen für Weltoffenheit und Kulturverständigung – und ein beeindruckendes Zeugnis einer emanzipierten, unerschrockenen und neugierigen Frau.
Die Reiseschriftstellerin und Fotografin Emilia »Milli« Bau nimmt 1949 als einzige Frau an einer dreijährigen Südamerika Expedition teil, reist später im umgebauten VW-Bus allein durch die ganze Welt. Ihre Berichte und Aufnahmen sind ein beeindruckendes Zeugnis einer unabhängigen Frau im Deutschland der 50er Jahre und darüber hinaus. Sie bereist unter anderem Nordafrika, den Nahen und Mittleren Osten sowie Ostasien. Ab 1967 lebt sie sieben Jahre in Teheran. Noch im Alter von 88 Jahren durchquert sie Sibirien. All diese Reisen hält sie mit ihrer Rolleiflex in Fotografien fest: Einblicke in eine Welt, die man im Westen so nicht kannte und die es heute so nicht mehr gibt.

Weiterführende Informationen zur Ausstellung
Aus dem weitreichenden Nachlass Milli Baus, mit mehr als 6.000 Dias und Fotografien, ist eine prägnante und intime Werkschau zu ihren Reisen sowie zu der Frau hinter der Kamera entstanden. In Zusammenarbeit haben Julia Reichelt, Leiterin des TU Kunstforums, und Alice Pawlik, Kustodin am Weltkulturen Museum Frankfurt, die Ausstellung kuratiert.
Milli Bau wird als Emilia Wissmann 1906 in Darmstadt geboren. Schon früh zeigt sich ihre Lust zu reisen. »Ich war, glaube ich, vier Jahre alt, als ich mich mit Vaters Spazierstock aufgemacht hatte, um mal zu sehen ›wo die Sonne rauskommt‹ und ich soll mich heftig gewehrt haben, als man mich wieder zurückholte«, erzählt sie später. Sie ist von den Büchern des schwedischen Asienforschers begeistert. »Warum gerade nach Asien?«, wird sie 1988 in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk gefragt. »Weil ich die Tochter eines Sven Hedin-Verehrers bin. Ich habe wirklich zuerst gewusst, was Lhasa ist, bevor ich in der Schule lernte, was es mit Berlin auf sich hat. (…) Der Osten hat mich immer schon gelockt.« Zwischen 1925-1926 führt sie eine Reise zunächst nach Italien, wo sie in Rom die Sprache studiert und vermutlich auch kunsthistorische Seminare belegt. Nach dem frühen Tod der Mutter 1928 wird sie nach Darmstadt zurückgerufen und übernimmt den Haushalt des Vaters. 1932 heiratet sie den Siemensdirektor Richard Waldemar Bau. 1939 bekommen sie ihren einzigen Sohn Gerhardt Dieter Bau, der ein Jahr später nach einem häuslichen Unfall verstirbt.
»›Haben Sie eigentlich nie Heimweh?‹ Und da habe ich gesagt: ›Nein, ich habe ja niemanden mehr zuhause.‹«
(Milli Bau)

Zum Leben von Milli Bau
Während
des Zweiten Weltkrieges ist Milli Bau gezwungen zu arbeiten und bekommt
die Möglichkeit für das Kulturressort der Hamburger Zeitung »Die Welt«
Artikel zu verfassen. Im November 1948 tritt sie als Dolmetscherin und
Berichterstatterin – als einzige teilnehmende Frau – die drei Jahre
dauernde Expedition »Mission Cientifica Alemana« (Deutsche
Anden-Kundfahrt) durch das südamerikanische Amazonasgebiet mit den
Wissenschaftlern Dr. Walter Forster, Zoologe, Dr. Heinrich Hawickhorst,
Arzt, Friedrich Michel, Tierfotograf, und Dr. Gert und der Leitung von
Hans Ertl (Publizist und Fotograf) an.
Nach dem Tod ihres Ehemannes 1953 muss Bau ihre finanzielle Situation neu evaluieren. In dieser Zeit verfasst sie ihr erstes Buch »Heilige Berge – Grüne Hölle. Eine Frau reist nach Bolivien«, das ein Jahr später erscheint. 1955 stirbt ihr Marimono-Affe Fips Peter Schwanzlhuber, den sie als Affen-Baby im südamerikanischen Urwald gefunden und aufgezogen hat. Im selben Jahr löst Milli Bau ihren Haushalt in Deutschland auf.
»Ich bin die Erste gewesen, die auf die Idee kam, aus einen Volkswagen-Bus ein rollendes Haus zu machen.«
(Milli Bau)
Ab dem 1. Januar 1956 reist sie vier Jahre allein in einem umgebauten VW-Bus erstmals um die Welt. Ihr Weg führt sie unter anderem über den Libanon, nach Syrien, Jordanien Irak, Iran, Pakistan, Indien und Nepal nach China und Japan. »Und in Beirut hat dann ein Kran mein kleines Haus auf Land gestellt und dann bin ich von dort aus losgefahren und hab mich an meinen Arbeiten, an meinen Artikeln für Zeitungen und Rundfunk sozusagen um die Welt gewickelt.«

Es
dauert neun Jahre, bis sich Milli Bau erneut mit einem VW-Bus aufmacht –
diesmal in den Iran. »Kaviar ist eine köstliche Delikatesse – aber für
die nächste Zeit brauche ich mal keinen.« (Milli Bau). Sie lebt sieben
Jahre in Teheran als Korrespondentin der »Welt« und lebt im Umfeld der
Schah-Familie Pahlevi. »Hier habe ich einen märchenhaften Standplatz im
Park der Botschaftersommeresidenz. Das alte Haus ist buchstäblich
zusammengefallen und in dem Park spielt sich nichts mehr ab von den
herrlichen Festen, die es früher gab und so stehe ich [mit meinem VW
Bus] unter alten Bäumen zwischen gepflegten Rasenflächen und habe den
Blick auf das Gebirge frei, auf das inzwischen Schnee gefallen ist.«
(zit. nach Julica Norouzi: Milli Bau. Seidenstrasse/Silk Road 1956-1974,
2017, S.15). Sie schildert ihre Eindrücke in dem Buch »Iran. Wie er
wirklich ist«, welches 1974 herauskommt und nach heutigen Maßstäben
aufgrund der unreflektierten Begeisterung für den Schah kritisch zu
hinterfragen ist.
1975 kehrt Milli Bau zurück nach Darmstadt. Sie baut ihr Asien-Archiv
auf, welches aus mehr als 6.000 Dias, rund 4.000 Büchern sowie
Dokumenten besteht und der Wissenschaft offensteht. Bau gibt zahlreiche
Vorlesungen über ihre Expeditionen und Erfahrungen. Dabei hält es sie
nie lange an einem Ort. Für ihre Vorträge reist Milli Bau bis ins hohe
Alter umher. Mit 70 Jahren ist sie Kulturreferentin auf verschiedenen
Kreuzfahrtschiffen und hält Vorträge. Auf ihrer letzten Reise durchquert
sie mit 88 Jahren Sibirien. Dort lernt sie die Professorin Swetlana
Prokopjewa, Dozentin an der Universität Jakutsk, kennen, mit deren Hilfe
sie, zusammen mit Dr. Ulrich Joger, die Ausstellung »Mammuts aus
Sibirien« im Hessischen Landesmuseum Darmstadt realisiert.
Im Jahr 1996 erhält sie die bronzene Verdienstplakette der Stadt
Darmstadt für ihr weltweites Engagement in der Völkerverständigung. 2005
verstirbt Milli Bau im Alter von 99 Jahren in Darmstadt.
»Die Unruhe bleibt.«
(Milli Bau im Film von HR Kultur aktuell, 10. April 1988)
Milli Bau hinterlässt ein umfangreiches Bildwerk über ihre Reisen. Fast
20 Jahre Kultur- und Zeitgeschichte finden sich auf Zellulose gebannt
wieder. Ihr fotografischer Nachlass befindet sich im Museum der
Weltkulturen in Frankfurt/Main, ein Teil ihres schriftlichen Nachlasses
im Stadtarchiv Darmstadt.
Flankierend zur Ausstellung im Kunstforum der TU Darmstadt ist vom 4.
Juni bis 12. Juli 2024 die Ausstellung »Mit der Schreibmaschine um die
Welt – Aus dem Nachlass von Milli Bau« zum Leben von Milli Bau im
Stadtarchiv zu sehen.
