Die Künstlerin Ankalina Dahlem studierte u.a. an der Städelschule bei Jörg Immendorff und machte ihr Diplom bei Stephan Balkenhol an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. In ihrem Atelier kann man nun einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Die Künstlerin arbeitet in Mischtechniken auf
Leinwand, in Tinte auf Papier. Einige Motive sind in Schwarz-Weiß, die
wenigen farbigen Arbeiten konzentrieren sich auf wenige Farben. Die
Szenerien haben keinen bestimmten Ort. Sie spielen im Nichts, im Himmel,
in der Natur. Das Meer, die Wolken, die Luft, die Gärten werden zum
Bildraum, in den der Betrachter wie in ein Kaleidoscope hineinschaut.
Hier gibt es keine festen Größenverhältnisse. Die Frauen von Ankalina
Dahlem sind schön. Sie sind nackt oder zeitlos bekleidet in Hemd,
Bikini, Minikleid, tragen auch mal Stiefel oder einen Gürtel. Sie
sitzen, liegen und stehen in der Natur bzw. im Nirgendwo. Ihr Blick geht
durch uns hindurch, und bei aller Schönheit haben sie etwas Bizarres
und Anachronistisches an sich.
Das trifft auch auf die Gefährten der Frauen zu. Diese Rolle hat
Ankalina Dahlem den Tieren zugedacht. Die Frauen befinden sich im
Zwiegespräch mit verschiedenen Vögeln, einem Fuchs, Fischen und einer
Maus. Ein Zwiegespräch, so einvernehmlich, wie es kaum mit einem
menschlichen Wesen zu führen ist. Der Bildraum gehört den Frauen und
Tieren. Sie haben sich hier miteinander verschworen. Es handelt sich um
Wesen aus Mythen, Fabeln und Geschichten, die sich Ankalina Dahlem
ausgedacht hat. Sind diese Frauen schon voller konzentrierter Energie,
so tun sich auch die Mädchengestalten der Künstlerin mit magischen
Fähigkeiten hervor.

Ankalina
Dahlem fängt Sehnsucht ein, „die vom Blitz getroffen wird“. Es ist die
uralte Sehnsucht nach Arkadien. Dieses Thema beschäftigt die Menschheit
und die Künstler seit der Antike. Nymphen, Faune, Götter und Tiere
bevölkern herrliche Landschaften, prachtvolle Männer- und
Frauengestalten verwöhnen das Auge. Arkadien zieht sich als „roter
Faden“ durch die Kunstgeschichte. Im 20. Jahrhundert fangen Picasso,
Matisse und Chagall den „Traum vom verlorenen Paradies“ malerisch und in
der Graphik ein. In schlichten Linien und Flächen generieren sich ihre
Künstlerfantasien vom Flöte blasenden Hirten, vom lüsternen Faun, vom
wilden Zentaurus und anderen ausgelassenen Männergöttern, die willige
Nymphen locken und umgarnen. Stilistisch stehen die Motive von Ankalina
Dahlem den Meistern der Moderne nahe. Auch sie reduziert auf lineare
Konturen, vereinfacht Formen und abstrahiert in der Fläche.
Auch ihre nackten Frauen halten Zwiesprache mit der Natur, den
Naturgewalten, den Tieren und den Pflanzen. Doch ist da ein Unterschied,
der elementarer nicht sein könnte. Bei Ankalina Dahlem gibt es keine
Männer! Ihre „Nymphen“, „Göttinnen“ und Frauengestalten sind für sich
allein bzw. nur mit ihren Tieren zusammen. Während die Meister der
Moderne das Arkadien im männlichen und weiblichen Pendant gefunden zu
haben glaubten, macht Ankalina Dahlem ihnen einen Strich durch die
Rechnung. Ihr Arkadien ist nur von Frauen bewohnt. Wer nun aber die
Umkehrung der Geschlechterverhältnisse erwartet, liegt ebenso falsch.
Hier ist kein Amazonenparadies, in dem sich die Frauen dem Mythos nach
die Männer nehmen, um sie nach vollzogenem Geschlechtsakt zu verjagen
oder zu töten. Ankalina Dahlem malt und zeichnet ein Arkadien ohne
Geschlechterkampf. Denn ihre Frauen wissen, dass sie Hüterinnen eines
Paradieses sind, das es in der Realität nicht gibt. Von daher bilden sie
einen Schutzschild gegen voyeuristische, lüsterne und
klischeebehaftetenen Eindringlinge. Deren Wunschvorstellung, sich mit
den Arkadienbewohnerinnen lustvoll zu vereinen, wird enttäuscht. Das
Paradies bleibt ihnen verwehrt.
Unbemerkt haben sich die Nymphen ihr eigenes Paradies geschaffen, wo sie
allein, aber niemals einsam sind.
