Zahlreiche Veranstaltungen der Stadt Bad Homburg und der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG) stehen dieses Jahr im Zeichen des 400. Jubiläums der Gründung der Landgrafschaft Hessen-Homburg. Zu diesem Anlass eröffnete Anfang Oktober 2022 eine neue Dauerausstellung im Schloss Bad Homburg. Unter dem Titel „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ zieht sie einen Bogen vom ersten Landgrafen bis zum letzten männlichen Vertreter der Dynastie.
150 Exponate in Bibliothek und Ahnengalerie im Westflügel des Schlosses führen Besucher:innen durch die 244 Jahre währende Geschichte der Landgrafenzeit. Sie begann 1622 mit Friedrich I. (1585-1638) und endete 1866 mit dem Tod des kinderlosen Ferdinand (1783-1866). Auf die Dauer der Landgrafschaft und die Anfangsbuchstaben der Vornamen des ersten und letzten Landgrafen referenziert der Titel der Ausstellung.
Die Ausstellungsplanung oblag Yannick Philipp Schwarz und Nora Möritz, beide wissenschaftliche Mitarbeitende der Restaurierungsabteilung. In zehn Monaten diese Ausstellung zu realisieren, war ein Kraftakt, der wunderbar gelungen ist.
In der Bibliothek erzählen nach Themenkomplexen
zusammengestellte Ausstellungsstücke von der Alltags- und
Herrschaftsgeschichte Hessen-Homburgs. Die Vitrinen wurden in die
Bücherregale integriert, so dass der Charakter des Raumes als Bibliothek
erhalten bleibt. “Es geht darum exemplarisch Geschichten zu
erzählen”, so der Kunsthistoriker Yannick Philipp Schwarz.
„Einzeln betrachtet sind die Objekte nicht erstrangig. Bedingt durch die
wechselvolle Geschichte muss unsere Sammlung ohne hochkarätige Kunst
auskommen. Erst wenn man diese ‚Kleinigkeiten‘ in einen Dialog setzt,
können sie auch die größeren Narrative wieder verdeutlichen.“
Besonders nahe kommt das Publikum Landgraf Friedrich II. (1633-1708),
dem Bauherrn des barocken Residenzschlosses. Zu den Erinnerungen an ihn
gehören die Kopie einer Lebendmaske des etwa 50-Jährigen, seine vom
preußischen Bildhauer Andreas Schlüter entworfene Bronze-Büste in
Barockpose und das sogenannte „Silberne Bein“ des Landgrafen. Dies ist
ein von Schlossbaumeister Paul Andrich konstruierter mechanischer Ersatz
des im Krieg eingebüßten rechten Unterschenkels. Es ist erstmals seit
etwa 12 Jahren wieder für die Besucher:innen zu sehen. Ein besonderes
Erlebnis ist der prunkvolle Aufsatzsekretär, der vermutlich für Landgraf
Friedrich III. Jacob (1673-1746)
ins Schloss kam. Ein dreieinhalbminütiger Film zeigt das Möbelstück, das
in Bad Homburg besser unter dem Namen „Hundertfächerschrank“ bekannt
ist, im Detail und zählt nach, ob die Zahl der Fächer des Sekretärs
seinen Namen bestätigen.

In
der neu gestalteten Ahnengalerie stellen Porträts und Familienbildnisse
aus drei Jahrhunderten die wichtigen Persönlichkeiten der
landgräflichen Zeit vor; Kurator Schwarz, dem die marketingbedingte
Neuschöpfung ‚Ahnengalerie‘ nur schwer über die Lippen geht, nennt sie
“das begehbare Familienmuseum”, denn ein wenig
enttäuscht zeigt sich der Kunsthistoriker über die Namensgebung für den
in den 1830er eingerichteten Bildersaal. Dem toxischen Zeitgeist der
1930er geschuldet firmierte er seitdem als ‚Ahnensaal‘.
Eine digitale Medienstation ermöglicht es hier, die Biografie der
Dargestellten, entweder per Klick auf ein Bild oder auf ihren Namen im
Stammbaum, in deutscher oder englischer Sprache nahezukommen. In der
Bibliothek erfolgt die Vermittlung, ganz im Sinne des Raumes analog: Die
Bücher, die auf Schreibpulten vor den Regalen platziert sind,
beschreiben einzelne Exponate und berichten die damit verbundenen
Episoden aus der Geschichte der Landgrafschaft.
„Der multimediale Zugang zur Epoche der Landgrafschaft Hessen-Homburg spricht alle Besucherinnern und Besucher an und verbindet die historischen Themen und Räumlichkeiten mit den zeitgemäßen Bedürfnissen des Publikums“, würdigt Ayse Asar, Staatsekretärin für Wissenschaft und Kunst, die Ausstellung. „Nach den Medienstationen in der Begleitausstellung und der in diesem Jahr gestarteten virtuellen Tour durch die Kaiserlichen Appartements wurde hier die digitale Vermittlung im Bad Homburger Schloss sehr gelungen fortgesetzt.“
Die Idee zur Würdigung der Geschichte der Landgrafenzeit mit einer eigenen Dauerausstellung entstand im vergangenen Jahr nach der Wiedereröffnung der Kaiserlichen Appartements im Königsflügel. Hier stehen die 52 Jahre ab 1866 im Mittelpunkt, als Hessen-Homburg infolge des Deutschen Krieges an Preußen gefallen war. Die bedeutend längere Zeit der Landgrafschaft wird zwar in der Begleitausstellung im Königsflügel erlebbar, sollte aber zusätzlich betont werden.
„Unser Schloss ist und bleibt Zeugnis der landgräflichen Geschichte und diese prägende Epoche wollen wir mit der neuen Dauerausstellung erlebbar machen. So kann sie, wie auch die Begleitausstellung, individuell und ohne Führung besucht werden“, so Kirsten Worms, Direktorin der SG. „Wir haben große und kleine, hochkarätige – und auch auf den ersten Blick unscheinbare – Exponate zum Sprechen gebracht und mit den Beständen der historischen Bibliothek in einen Dialog gesetzt. Ich freue mich, dass wir unser Angebot für die Besucher und Besucherinnen des Schlosses um einen weiteren attraktiven Aspekt erweitern konnten.“
Erste und anspruchsvollste Aufgabe war die grundlegende Wiederherrichtung der beiden, ursprünglich vom großherzoglich-hessischen Hofarchitekten Georg Moller geschaffenen Räume. Nach einem Hausschwammbefall waren sie 1965 entkernt worden, Decken- und Wanddekorationen gingen dabei weitestgehend verloren. „Zum Glück haben wir eine sehr gut nachvollziehbare Quellenlage zur Baugeschichte, die wir eingehend ausgewertet haben“, kommentiert Ulrich Haroska. „Hierbei haben wir auch Beschreibungen gefunden, aufgrund derer wir die originale Farbgebung rekonstruieren konnten, wie die teegrüne Wandfarbe in der Ahnengalerie und die rehgraue in der Bibliothek.“ Stuckoberflächen und Decken wurden quellengetreu weiß gestrichen, der Stuckmarmor restauriert, sämtliche Holzoberflächen bearbeitet und beide Räume elektrifiziert. Die Restaurierung der Exponate und die handwerklichen Tätigkeiten fanden leisteten zum größten Teil die Mitarbeitenden in den hauseigenen Werkstätten der SG.
In den Tagen nach der Eröffnung der Ausstellung wird die Online-Sammlung der SG starten, die auf der Plattform „museum-digital“ ausgespielt wird. Zum Start werden etwa 40 Objekte aus der Schau „244ff. – Von Friedrich bis Ferdinand“ gezeigt. Sie bilden den Auftakt einer stetig wachsenden Zahl von Exponaten aus den Museen der Schlösserverwaltung, bis Jahresende sollen dann schon etwa 80 Objekte präsentiert werden. Die Sammlung richtet sich sowohl an Wissenschaftler:innen wie an interessierte Laien.
