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What's more romantic than being understood?


Robert Schittko in der Frankfurter Galerie Perpétuel

Die Galerie Perpétuel wurde 2002 in Sachsenhausen gegründet. Schwerpunkt ist die zeitgenössische junge Kunst aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Video, Installation und Performance. In Robert Schittkos erster Einzelausstellung in Frankfurt am Main präsentiert der Künstler eine Sammlung autobiografischer Langzeitprojekte und neuerer Arbeiten. Fotografisch und bildhauerisch erkundet er das Zusammenspiel von Nostalgie und Veränderung.

Es steht außer Frage, dass es ein gutes Gefühl ist, verstanden zu werden. Zu wissen, dass es Menschen gibt, die das wahre Ich sehen, es kennen und respektieren, stärkt maßgeblich das Selbstvertrauen. Der Weg dorthin ist jedoch oft ein steiniger. Er beginnt beim Aufbau des eigenen Selbstbewusstseins, geht über dessen Kommunikation nach außen und endet bei der Reaktion des jeweiligen Gegenübers. So bildet sich über Jahre ein fragiles Konstrukt, das stets der Gefahr ausgesetzt ist, durch äußere wie innere Einflüsse zum Einsturz gebracht zu werden.
Besonders ausschlaggebend für dessen Fundament sind sowohl die Kindheit als auch die Jugend. Genau dort setzt Robert Schittkos Ausstellung “What’s more romantic than being understood?” an: Ausgehend von einer der ersten engen zwischenmenschlichen Beziehungen im Leben, nimmt „Ich habe vergessen, wie es ist“, eine Serie konturgefräster, bedruckter Holzsockel, Bezug zu Schittkos Vater. Denn so wie dieser als Bodybuilder sein Äußeres formte, so bringt auch Schittko selbst seine Skulpturen, insbesondere deren Oberfläche, in Form. Er bedruckt sie mit Aufnahmen aus dem privaten Fotoalbum, die schemenhaft spezifische Situationen aus seinem Leben zeigen. Auf diese Weise transformiert er die aus demselben Holz gefrästen Körper zu individuellen Subjekten. Ausgefallen, ungewöhnlich sowie auch etwas sonderbar präsentieren sie ihre Eigenheiten und spiegeln gleichzeitig den sozialen Kontext wider, aus dem sie entspringen. Neben dem familiären Umfeld können auch Freundschaften und andere (Liebes-) Beziehungen besondere Auswirkungen auf das Bilden und Kommunizieren der eigenen Identität haben. So zeigt „Emotional archive“, die fotografische Reproduktion einer Assemblage, Glücksbringer und Andenken Schittkos sowie einige der von ihm über die Jahre erhaltenen Liebesbriefe. Die Erinnerungsstücke aus dem frühen Erwachsenenalter; darunter ein gemeinsames Foto mit einer Exfreundin sowie der Schlüssel des Aktenkoffers, den ihm sein Großvater zum Beginn der Berufsausbildung schenkte; dienen als Anhaltspunkte für diese Zeit. Es sind Objekte, denen unterbewusst ein besonderer Wert beigemessen wurde. Dieser wird jedoch erst im Laufe der Zeit erkennbar. Das fotografische Abbild lässt die Originale und deren direkten Bezug zur Vergangenheit jedoch noch weiter in die Ferne rücken. Es wirkt wie der Versuch, mithilfe der Kameralinse das subjektive Erleben objektiv zu betrachten, es festzuhalten in dem Wunsch, das Innere zu ordnen, um mit Vergangenem abschließen zu können. Dies wird auch in der Arbeit „Das ewige Eis“ thematisiert. Die Fotografie zeigt drei aneinander lehnende Eisblöcke, die aus dem Gefrierschrank eines verstorbenen Familienmitglieds stammen. Doch die darin konservierten Erinnerungen lösen sich zunehmend im Schmelzwasser auf. Zurückgeworfen auf das eigene Ich, ist Schittko selbst in einer Reihe abstrahierter Selbstportraits mit dem Titel „Facetime“ zu erkennen. Sein Gesicht bleibt jedoch hinter einer Art Maske oder Filter verborgen. Ein Motiv, das in der Werkserie „Idols“, aus Aluminium gefräste Wandarbeiten, weiter ausgeführt wird. Dabei handelt es sich um auf das Wesentliche reduzierte Gesichtsformen, die bei näherer Betrachtung an nahezu kindliche Darstellungen von Geistern erinnern. Ähnlich wie bei den Holzfräsungen sind auch die Aluminiumarbeiten bedruckt. In diesem Fall mit Found Footage Material, Bildern aus besonders prägenden Filmen und von weiblichen Ikonen, allen voran Hannelore Elsner. Diese verkörperte in Liebesdramen, wie „Kirschblüten – Hanami“ (2008) und „Die Unberührbare“ (2000), eher in sich gekehrte Frauenrollen, die sich nie ganz ihrem filmischen Gegenüber offenbarten. Zwischen dem Versuch, sich hinter einer Maske zu verstecken und dem Bestreben, das wahre Gesicht zu zeigen – Was ist noch romantischer als verstanden zu werden? Wahrscheinlich nichts.

Text: Vivien Kämpf




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