Sie ist Dauerbeobachterin der Gesellschaft und rechter Verbrechen: Manja Präkels verknüpft in ihren Essays Ereignisse in ihrer Umgebung mit eigenen Erinnerungen ans Aufwachsen im Osten Deutschlands. Im September ist sie zu Gast bei Regina Heidecke.
Ein Schrecken geht
um in Deutschland: Im Oktober sind Landtagswahlen in Hessen und in
Bayern. Dann wird ganz genau hingeschaut, mit wieviel Prozent die Partei
aufschlägt, die nicht nur im Osten des Landes viel Zulauf hat und
gleichzeitig für so viel Unruhe sorgt bei vielen Bürgern.
Die Debatte über das Erstarken der Rechtsextremen und die Folgen für
unsere Demokratie ist schon lange entbrannt und wird meistens in einer
Schieflage geführt, die den Osten zum Opfer erklärt und den Westen zum
Täter. Die Schriftstellerin Manja Präkels, die das Heranwachsen rechter
Gewalt und Extremismus in ihrer ostdeutschen Heimat schon lange
beobachtet, ist geboren und aufgewachsen im brandenburgischen Ort
Zehdenick. Präkels hat die Eruptionen rechter Gewalt und die
Empathielosigkeit der Täter nach
der Wende am eigenen Leib erfahren. Die sogenannten
„Baseballschlägerjahre“ sind für sie zu einem Begriff geworden, aber wer
hat das schon registriert im Westen der Republik? Wie überhaupt eine
seltsame Unsichtbarkeit über allem lag, was sich unter der Oberfläche
der sauber und akribisch heil sanierten Städte im Osten verbarg. Manja
Präkels beschreibt dieses Klima der Wendezeit, in der die Provinz eine
Hauptrolle spielt, als eine Atmosphäre zwischen „Euphorie und
Niedertracht“. Zuerst in ihrem mehrfach preisgekrönten Roman „Als ich
mit Hitler Schnapskirschen aß“ (2017) und 2022 in dem Essayband „Welt im
Widerhall oder ist das eine Plastiktüte?“ Schon die Titel klingen
skurril und zeugen von bildhafter Phantasie, von kraftvoller und
lakonischer Sprache. Für die ehemalige Journalistin sind die
auseinanderdriftenden sozialen Strukturen der Nachwendegesellschaft
nicht erst in den 1990er Jahren entstanden, sondern haben eine traurige
Vorgeschichte. Wer zweimal hintereinander Diktaturerfahrungen durchlebt
hat und gesellschaftliche Freiheit nur aus Büchern kennt, weiß, wie sich
Geschichte in die eigene Lebenswelt eingegraben hat.
Bücher und Texte über Lebensschicksale im Osten erscheinen fast täglich
und legen nahe, dass es einen enormen Diskussionsbedarf zu geben
scheint. Dem will Regina Heidecke Rechnung tragen und hat eine der
markantesten Stimmen über das Verschwinden der DDR in die Neue Stadthalle Langen
eingeladen. Dabei ist Manja Präkels nicht nur Schriftstellerin, sondern
auch Sängerin und Texterin der Musikgruppe „Der singende Tresen“. Schon
der Name der Band ist schräg, aber im Wortsinn handeln ihre Lieder von
dem, was man so am Tresen alles zu hören bekommt. Und bei aller Kritik:
Manja Präkels liebt ihre Heimat, wie anders könnte sie diese sonst so
zutreffend beschreiben?
Regina Heidecke hat in Frankfurt Soziologie, Germanistik und Philosophie studiert und war seit 1978 Redakteurin der Kulturredaktion beim Hessischen Rundfunk, von 2001 bis 2014 Schlussredakteurin der Sendung Kulturzeit bei 3sat.