Parastou Forouhar ist iranische Künstlerin und Aktivistin. Sie setzt als Konzeptkünstlerin alle Medien von der Zeichnung über die Fotografie bis zu computeranimierten Bildsequenzen ein, um ihre Themen, etwa die Situation von Frauen in der Gesellschaft – speziell auch in muslimischen Gesellschaften – oder der Folter als systematisches, bildfüllendes „Ornament“, zu reflektieren und zu veranschaulichen.
Frauen,
Leben, Freiheit
Regina Heidecke im Gespräch mit Parastou
Forouhar
Sie lassen sich nicht einschüchtern, weder durch staatliche
Gewalt, die ihre Proteste im ganzen Land verhindern will, noch durch die
wachsende Zahl der Gefangenen. Selbst harte Strafen und Hinrichtungen,
die abschrecken sollen, halten junge iranische Frauen und Männer nicht
mehr davon ab, weiterhin auf die Straßen gehen. Seit dem gewaltsamen Tod
der 22-jährigen Iranerin Jina Mahsa Amini aus der Provinz Kurdistan,
sind große Teile der iranischen Gesellschaft in
Aufruhr.
Seit der Gründung der islamischen Republik 1979 gab es immer wieder
Protestbewegungen, die sich für einen demokratischen Aufbruch eingesetzt
haben. Aber jedes Mal wurden sie bisher brutal niedergeschlagen. Wenn
das Wort Zeitenwende einen Sinn macht, dann sicher auch hier im Iran, wo
sich die Frauen gegen die strengen Regeln des Kopftuchgebots wehren und
ihre Tücher vom Kopf reißen. Ja, sie verbrennen sie sogar und stellen
sich offen gegen die
Sittenpolizei. Doch die Welt schaut nur zu, und mehr als distanzierende
Worte und moralische Empörung gegen die Gewalt des Staates gegenüber
seinen Bürgerinnen und Bürgern gibt es kaum. Eine Kritik, die sich auch
die deutsche Politik gefallen lassen muss. Die Arbeiten der iranischen
Künstlerin und Aktivistin Parastou Forouhars stellen eindrucksvolle und
kraftvolle, politische Kunst dar und fordern dazu auf, immer genau
hinzuschauen.
Parastou Forouhar
Die iranische Künstlerin, die seit 1991 in Deutschland im Exil lebt, hat
mit einem poetischen Bild auf die Ereignisse in ihrem Land reagiert:
eine große Magnolie, die ihre Mutter noch vor der islamischen Revolution
in ihrem Haus in Teheran gepflanzt hatte, trägt an ihren Ästen Blätter
mit der Aufschrift „Frauen, Leben, Freiheit“. Das ist der Slogan der
Protestbewegung nach dem Tod der jungen Jina Masha Amini, der inzwischen
in der ganzen Welt bekannt ist. Der so geschmückte Baum im Garten ihres
Elternhauses hat neben dem aktuellen Bezug aber noch eine weitere
Bedeutung. Am 21. November 1998 wurden Dariush und Parvaneh Forouhar,
führende Vertreter der reformpolitischen Opposition im Iran, brutal
ermordet. Als Parastou Forouhar im vergangenen November in den Iran
reiste, wurde ihr bewusst, wie sehr schon ihre Mutter sich für die Ziele
und Rechte einsetzte, für die die jungen Frauen heute demonstrieren.
Jedes Jahr, am Todestag ihrer Eltern reist sie nach Teheran und hat den
Todes- zum Gedenktag erklärt, gemeinsam mit Freunden, Verwandten und
Leidensgenossen, kein ungefährliches Unterfangen, dem sie sich Jahr für
Jahr aussetzen. Obgleich Parastou Forouhar über die vielen Jahre alle
Hebel in Bewegung gesetzt hat, wurden die Taten nie wirklich aufgeklärt.
In ihrem Buch „Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden“
beschreibt sie die Schikanen, das unerträgliche Warten, die Überwachung
und Infamie des Staates bei ihrem Versuch der Aufklärung. Das Buch ist
ein bewegendes Zeugnis der Verschleierung der Morde, die offen
ausgesprochen, der Geheimdienst zu verantworten hat. Parastou Forouhar
kam, nachdem sie bereits ein Kunststudium in Teheran absolviert hatte,
an die Hochschule für Gestaltung in Offenbach und setzte ihr Studium
fort. Dort experimentierte sie mit Zeichnungen, Fotografien,
Installationen und computeranimierten Bildern, danach gründete sie ein
Künstlerkollektiv und engagierte sich für Frauenrechte – bis die
Nachricht vom Tod der Eltern sie am Telefon erreichte. Der Mord an ihren
Eltern bedeutete eine Zäsur, und fortan versteht sie es, ihre
politischen Erfahrungen und Überzeugungen auf ganz besondere Weise in
ihre Kunst einzuarbeiten. Die zarten Schmetterlinge beispielsweise
lassen erst beim zweiten Blick erahnen, wieviel politisches Unrecht in
ihnen eingewirkt ist. Zum Beispiel Blutflecken, Gitterstäbe,
Massengräber. Geschundene Menschenminiaturen reihen sich aneinander wie
die Muster eines persischen Teppichs.
Die Künstlerin ist auch eine Kämpferin. Als ihre Anwältin, die
Menschenrechtlerin und
spätere Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, inhaftiert wurde,
protestierte sie jahrelang und reichte schließlich Klage bei den
Vereinten Nationen ein. Im Gespräch mit Regina Heidecke wird Parastou
Forouhar zur aktuellen Situation im Iran, über die Geschichte Ihrer
Eltern und über ihre Kunst sprechen. Zurzeit hat sie eine Professur an
der Kunstakademie der Universität Mainz.
Regina Heidecke
… hat in Frankfurt Soziologie, Germanistik und Philosophie
studiert und war seit 1978 Redakteurin der Kulturredaktion beim
Hessischen Rundfunk, von 2001 bis 2014 Schlussredakteurin der Sendung
Kulturzeit bei 3sat. Als Filmemacherin realisierte sie für den
Hessischen Rundfunk, arte und 3sat Feature und Porträts in den Bereichen
Theater, Tanz und Ballett, aber auch Magazinbeiträge zu
gesellschaftlichen und politischen Themen, sowie Reisefilme. Daneben war
sie viele Jahre als Ballettkritikerin für HR2 tätig. Als Redakteurin
bei Kulturzeit hat sie sich vermehrt den Themen Politik, Bildung,
kritischer Journalismus, sowie Fragestellungen zum Islam und dem Nahen
Osten zugewendet.
Ganz besonders am Herzen lag ihr die Ausbildung und Betreuung von jungen
Journalisten und Filmemachern aus Ländern wie dem Irak, Tunesien,
Pakistan, Afghanistan in Kooperation mit ifa – Institut für
Auslandsbeziehungen. In Workshops hat sie mit dem Goethe Institut in
Syrien, mit dem IWPR – Institute
for War and Peace Reporting im Nordirak, sowie mit dem SES – Senior Expert Service in Indonesien
zusammengearbeitet. Seit 2015 ist Regina Heidecke freie
Journalistin.