Der Pianist Alexander Gadjiev ist mit einem Chopin-Rezital zu Gast in der Reihe „Kammermusik Plus“ des Heidelberger Frühling. Der 28-Jährige wird als einer der raffiniertesten Newcomer unter den jungen Pianisten gehandelt und hat u.a. den zweiten Preis beim legendären Warschauer Chopin-Wettbewerb gewonnen. In Heidelberg nimmt er sich neben einigen charakteristischen Einzelwerken von Frédéric Chopin den kompositorisch wohl originellsten Zyklus des großen Polen vor: die 24 Préludes. Unter der Überschrift „+ 7 Minuten“ erwartet die Zuhörer*innen außerdem ein kurzer Wort-Exkurs über charakteristische oder auch kuriose Aspekte des Programms.
Er wird von führenden Orchestern als Solist
eingeladen, was sicher auch daran liegt, dass Alexander Gadjiev bis vor
Kurzem noch BBC New Generation
Artist war. Nach seinem Studium am Mozarteum Salzburg und der
Hanns-Eisler-Hochschule Berlin, wo er im Frühjahr 2022 bei Eldar
Nebolsin sein Konzertexamen machte, ist Gadjiev seit Beginn der
Spielzeit 2022/23 für drei Jahre Artist in Residence bei der Unione
Musicale in Turin und der Wigmore Hall in London.
Die Liste seiner Wettbewerbserfolge ist lang, unter anderem gewann er
den 1. Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb in Sydney und den 2.
Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb. Der junge
italienisch-slowenische Pianist mit russischen Wurzeln scheint keine
Grenzen zu kennen. Noch mehr Wettbewerbe, noch mehr Drängen? Der
28-Jährige winkt ab: „Es war ein guter Stimulus, aber Wettbewerbe
verändern auch unbewusst die Denkweise. Du kannst versuchen, dein ganzes
Leben lang ein Che Guevara zu sein, aber es gibt Grenzen.“
Revolution war gestern. Nun will Gadjiev in die Tiefe abtauchen – und
sich mit dem ewigen Schicksalspaar Revolution/Evolution
auseinandersetzen. Das klug zusammengestellte Programm seines aktuellen
Albums zeigt es. Die Selbstreflexionen von Sergej Prokofjews „Fünf
Sarkasmen“ kombiniert er mit Werken einer Vater-Sohn-Konstellation:
Während Nikolai Tscherepnin eher für die klassisch-russische Tonsprache
mit impressionistischen Ausflügen stand, stürmte sein Sohn Alexander
Tscherepnin geradewegs ins 20. Jahrhundert.
Gadjiev versucht, musikalische Antworten zu finden auf die uralten, aber
immer aktuellen Fragen der Menschheit: Wer bin ich? Wo komme ich her?
Wo will ich hin? „Zunehmend bemühe ich mich, die feurigere oder
russisch-schulische Seite des Spiels mit einer kontrollierteren
Bedeutung zu verbinden“, erklärt er. „Das ist nicht immer so einfach,
weil das eine dem anderen widersprechen kann. Es geht also ums
Gleichgewicht.“ Auch körperlich hat der Pianist dafür ein Mittel
gefunden: Er betreibt Yoga. Wenn er mal nicht in seine Partituren
versunken ist, beschäftigt er sich mit dem Bhagavad Gita, einer
zentralen Schrift des Hinduismus. „Wie schön wäre es doch, wenn wir uns
nur auf das konzentrieren würden, was wir gemeinsam haben, anstatt auf
das, was uns trennt“, bemerkt er. Genau das vermag Musik.