Lange Zeit konnten Kulturmanager und -managerinnen sich auf die traditionellen Aufgaben des Museums beschränken: Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln. In der digitalen Transformation werden sie zusätzlich auf fünf Ebenen gleichzeitig und verschränkt agieren müssen, um museale Sammlungen im Bewusstsein des Publikums zu halten. Barbara Fischer stellt die Ebenen dar und zeigt Chancen und Anforderungen auf.
Mit der Zeitmaschine ins Jahr 2025. Ich sitze in einer Bibliothek mit Blick auf ausgedehnte Grünanlagen im Dämmerlicht. In zehn Minuten beginnt das Treffen mit der Projektgruppe „Venus on a ride“. Ich habe trotz aller digitaler Medien immer noch Bleistift und Papier vor mir liegen. Das Team lebt über dem Globus verstreut. Noch ist das Team ganz klein. Ich verantworte das Vorhaben. Meine Arbeitgeberin ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 70 Jahre nach ihrer Gründung noch immer die Grande Dame der Museumswelt. Alle anderen am Projekt Beteiligten sind Auftragnehmer, die in wechselnden Zusammensetzungen aus dem Netzwerk der ICOM, die heute so eine Art Jobplattform für Museumsleute geworden ist, stammen. Der Preisdruck ist hart. Iana lebt zurzeit in Nepal und verantwortet das Overall-Design für Ausstellung, Medien, Merch und Kommunikation. Pierre kommt ursprünglich aus Kanada. Er ist immer dort, wo gerade Mieten und WiFi in einem günstigen Verhältnis stehen. Er wird das Storytelling machen. Sahel arbeitet von zuhause aus in Kinshasa. Sie soll als Produktmanagerin die Programmierung der auf das Projekt bezogenen Anwendungen koordinieren. Aus Kostengründen gilt wieder der Crowdsourcing-Ansatz. Gut, dass Bibliotheken inzwischen zu den Workspaces schlechthin geworden sind. Kein Arbeitgeber finanziert mehr feste Arbeitsplätze in Büros. Bei den hohen Mieten in den Ballungszentren, kann man wählen zwischen arbeiten im Bett, im Café oder für Besprechungen eben in den Workspaces der Bibliotheken. Die Berliner Landesbibliothek mit Blick über das freie Tempelhofer Feld gehört bestimmt zu den schönsten Arbeitsplätzen weltweit, träume ich. Auch jetzt um fünf Uhr morgens, der beste Zeitpunkt für ein gemeinsames Kick-off im remote arbeitenden Team. Ich gähne und gehe online.

Gedanken zum Alltag eines Museumsmenschen im Jahr 2025
Für Kulturmanagerinnen bedeutet dies: Vor allem noch bessere kommunikative Fähigkeiten sind erforderlich, denn fehlender Kontext, erworben durch gewachsene und in einer Landeskultur verwurzelte Erfahrung, muss ausgeglichen werden durch das Korrektiv mit einer um das mit einem Vorhaben assoziierten Community. Gleichzeitig werden die Projekte offener für Rezeptionen und Perspektiven jenseits der Lokalität der Originale. Die Digitalisierung betrifft unmittelbar die Kulturmanagerin als arbeitenden Menschen. Willkommen in der Arbeitswelt 4.0.! Aber mindestens genauso umfassend betroffen sind die Institutionen, für die sie arbeitet. (2) Noch glauben viele Häuser, der digitale Wandel beträfe sie nicht. Doch seine Wirkung ist ebenso real wie die des Klimawandels. Man kann sich ihm nicht verschließen.
Alle reden von Digitalisierung und jeder meint damit etwas anderes. Denn Digitalisierung ist heute ein schillernder Begriff, mal gleichbedeutend mit digitaler Transformation, alternativ: digitaler Wandel. Mal ist damit nur ein technischer Vorgang gemeint, mal eine Durchdringung der menschlichen Existenz als Ganzes. (3) Klar ist allein, man sollte das Thema nicht nur den Ambitionen und Interessen einiger Technologieunternehmen (4) überlassen. Alle, die als Kulturmanagerinnen in Museen arbeiten, müssen sich mit dem digitalen Wandel befassen und eine eigenständige Haltung dazu entwickeln, um ihn aktiv zu gestalten. Um diese Haltung und die Gestaltung des digitalen Wandels soll es im Folgenden gehen.
Stellvertretend für viele berufene Stimmen zur digitalen Transformation zitiere ich Alexander Birken, den Vorstandsvorsitzenden der Otto Group.(5) Die Otto-Group hat bereits den digitalen Wandel vom analogen Versandhaus zum Online-Händler erfolgreich vollzogen, der vielen Museen in ihrer Arbeit noch bevorsteht. Zudem gelingt es Birken branchenunabhängig, die Herausforderungen, die an das Management durch den digitalen Wandel gestellt werden, in wenigen treffenden Schlagworten zu umreißen: Agilität in den unternehmerischen Entscheidungen, Transparenz in den unternehmerischen Handlungen, Sicherung des Informationsflusses in allen Richtungen, Flexibilität in der Reaktion auf den Markt und wachsende Bedeutung des eigenen Profils. Diese fünf Punkte will ich für das Kulturmanagement im Bereich des Kulturellen Erbes aufgreifen und vertiefen.
Als ich vor sechs Jahren als Kuratorin für Kulturpartnerschaften begann, Museen, Archive und Bibliotheken für Kooperationen mit Wikimedia zu werben, buchstabierten die Freiwilligen der Wikimedia-Community, namentlich der Wikipedia, und die Kolleginnen in den Museen Digitalisierung noch gemeinschaftlich als digitales Foto eines Objektes. Auch die Politik dachte so und schuf zum Beispiel die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) als ein Portal medialer Repräsentationen in Deutschland bewahrter Kulturschätze. Man glaubte an den Projektcharakter der Digitalisierung, eine einmalige Anstrengung mit einem Anfang und – vor allem einem Ende. Gerade auch finanziell, moniert Frank Frischmuth, DDB-Direktor, dessen digitale Plattform bis vor kurzem nur Projektförderung erhielt.(6) Heute erkennen wir, dass bereits die technische Digitalisierung (7) des kulturellen Erbes eine Daueraufgabe sein wird. Neue Technologien, neue Ansprüche und neue Standards zwingen Museumsdirektionen, internationale Medienarchive wie Wikimedia Commons und die öffentliche Hand agil auf die Neuerungen zu reagieren, sie einzuplanen und im Idealfall zu antizipieren. Die Kunstsammlung im Maurits Huis in Den Haag ist bereits in den zweiten Zyklus der Digitalisierung ihrer Sammlung eingetreten. Sie fertigt jetzt von den zweidimensionalen Gemälden des niederländischen Barocks publikumswirksam 3D-Scans für die wissenschaftliche Forschung, aber auch für ein Close-up des Publikums mit dem Kunstwerk.(8) Wikimedia Commons feierte im Februar 2018 die Weiterentwicklung ihrer Software, um barrierefrei 3D-Dateien archivieren und wiedergeben zu können.(9) Vermutlich wird man 2025 hochauflösende vollfarbige Reprofotografien von Gemälden ebenso mitleidig beiseite wischen wie heute Schwarzweiß-Drucke der Originale.(10) Der technologische Wandel fordert agile Strukturen. Institutionen, die Jahre brauchen, bis sie bereit sind, auf neue Technologien, Standards und Ansprüche zu reagieren, werden schlicht aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Sie werden unsichtbar sein.(11)
Agilität kann zum Beispiel bedeuten, dass man Investitionen in neue Technologien, Hardware aber insbesondere Software so tätigt, dass man sich nicht langfristig bindet, sondern offen für den Wandel bleibt. Also auch offen für einen raschen Wechsel der Geschäftspartner. Das ist nicht leicht angesichts der derzeitigen Vorschriften bei der Mittelvergabe. Vielleicht entscheidet man sich im agilem Management nicht länger zu Gunsten einer proprietären Software für die Datenbank des Museums, sondern sucht nach etablierten Open-Source Alternativen und richtet die Aufgaben der Datenbank gleich an übergeordneten Strukturen wie der Deutschen Digitalen Bibliothek oder der Europeana aus. Agilität bedeutet Offenheit für die Bewertung und Anwendung neuer Dateiformate, neuer Normdatenstandards oder die Ausspielung der Inhalte über neue Kanäle. Wenn heute Instagram ein Muss für Museen ist, kann das in einigen Jahren obsolet sein. Gleichzeitig bestehen jedoch herkömmliche Aufgaben fort und müssen immer wieder neu mit den aktuellen Anforderungen in Einklang gebracht werden. Selten wachsen die Ressourcen mit den Aufgaben. Innerhalb der Institution bedeutet diese Umsicht in all diesen strategischen Entscheidungen eine umfassende „digital literacy“ in allen Abteilungen. (12) Agilität bedeutet auch, sich in den Ausstellungsräumen neuen Technologien zu öffnen. Die Integration von Touchscreens, VR-Anwendungen, der fast schon obligaten Museums-App sind weltweit in den großen Häusern flüchtiger Standard, der nach steter Innovation ruft.(13)
Agilität bedeutet ferner, dass man sich als Institution Partnerschaften jenseits der Sparten öffnet, um gemeinschaftlich zu arbeiten. Partnerschaften waren bislang auf bestimmte Rollen beschränkt. Ein kooperierendes Museum ist Partner einer Ausstellung und liefert Leihgaben aus seinen Sammlungen für die jeweilige Ausstellung. Ein kooperierendes Wirtschaftsunternehmen beteiligt sich als Kultursponsor an den Kosten der Ausstellung. Der Förderverein des Museums wirbt um Spenden, und die öffentliche Hand finanziert den Museumsneubau. In der digitalen Transformation, bedingt durch die Fluidität der Inhalte, können Mitglieder des Freundeskreises des Museums unkompliziert mit ihren persönlichen Geschichten zu den Sammlungsobjekten beitragen.(14) Besucher der Online-Sammlung aus weit entfernten Orten reichern die Metadaten zu den Objekten mit zusätzlichen Fakten an und verknüpfen sie mit anderen Sammlungen.(15) Sammlungen verschiedener Institutionen werden über die Grenzen virtuell zusammengeführt.(16) Wirtschaftsunternehmen und Entrepreneurs entwickeln zu den Sammlungen des Museums Anwendungen, die sie mit ihren Produkten verknüpfen.(17) Coderinnen und Creative Industries entwickeln aus den Daten des Museums, oft unabhängig von jenen, Apps, Websites und VR-Anwendungen, die wiederum zur Sichtbarkeit des Museums im Netz beitragen. Vorausgesetzt, das Museum ist agil genug, um offene Kommunikationsschnittstellen anzubieten. Die Umsetzung dieser Schnittstellen wiederum erfordert eine dezidierte Dialogbereitschaft und technisches Wissen, eben die Agilität der Institution. Erste Praxisbeispiele für solche Formen der offenen Zusammenarbeit kann man seit 2014 im Rahmen des deutschen Kultur-Hackathons Coding da Vinci sehen. Dazu später mehr.
Agilität in den unternehmerischen Entscheidungen
Was bedeutet Transparenz im Zeitalter der digitalen Transformation an Kulturbetrieben wie Museen? Eigentlich dasselbe, worauf auch der Chef der Otto-Group rekurrierte: Es geht um das Sichtbarmachen der Antworten auf die alten Fragen: Woher, Wohin, mit Wem und Warum. Provenienz, Attributierung und Teilhabe sind die drei wesentlichen Elemente. Der digitale Wandel erlaubt in einem viel größeren Umfang die Transparenz in den genannten Fragen. Das wissen auch Besucher, Medien und andere Stakeholder und fordern sie deshalb ein.
Die Provenienz-Debatte ist nicht länger auf einen kleinen Forschungskreis und auf die Herkunft aus jüdischen Vermögen aka Raubkunst in der Nazizeit beschränkt. Sie prägt heute genauso die Diskussionen um das Humboldt-Forum (18) so wie die koloniale Vergangenheit seiner Player.(19) Nicht nur in Berlin. Der Vorstoß des Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Dezember 2017, afrikanische Kunstschätze zurückzugeben, hat für aufgeregte Debatten weit über Frankreich hinaus gesorgt.(20) Die Provenienz-Debatte beflügelte auch die Fantasie der Macher des Marvel-Block-Busters „Black Panther“ und trägt sie dergestalt in die Köpfe eines Millionen Publikums weltweit.(21) Museen werden künftig sich nicht mehr damit begnügen können, Sammlungsobjekte als exotische Kunstwerke herkunftslos zur Schau zu stellen, sondern müssen transparent die detaillierte Herkunft eines jeden einzelnen Objektes darlegen können, weit über ihrer Akquisitionsregister hinaus.(22)
Das zweite ebenso wichtige Element der institutionellen Transparenz in den Handlungen betrifft die sichere Attributierung der Digitalisate, bevor sie in das Netz entlassen werden. Selbst nach dem x-ten Teilen eines Digitalisats sollte für den User erkennbar sein, wo das Original zu finden ist. Die Attributierung stellt sicher, dass der User bei Bedarf weitere Informationen zum im Digitalisat dargestellten Original von der Institution bekommen kann, die das Original bewahrt. Heute ist dies noch ein frommer Wunsch. Eine technische Lösung ist noch nicht auf dem Markt. Zur Praxis, über das Urheberrecht zu attributieren, später mehr.
Schließlich als drittes Element: die Teilhabe auf Augenhöhe. Lange verstand man Partizipation oder Teilhabe in Museen als deren kulturellen Bildungsauftrag. Sozial Benachteiligte, Bildungsferne oder schlicht jüngere Zielgruppen sollten durch entsprechende museumspädagogische Konzepte der Museen gebildet werden. Gemeint war damit eben der durchaus staatstragend gedachte Auftrag der Museen, Bürgern, deren Bildungsbedarf meist von Dritten attestiert wurde, die zentralen Werte einer mündigen, demokratischen, humanistisch geprägten Kultur nahezubringen, d.h. Museen werden zu Sendern von Zivilisationsbotschaften.(23) Die digitale Transformation erlaubt eine deutlich freiere Nachnutzung der musealen Kulturgüter, auch eine Befreiung von dem gesellschaftlichen Vermittlungsauftrag oder zumindest eine freiere Interpretation desselben. Voraussetzung ist die Öffnung des Zugangs zu den Daten durch die Verwendung offener Leistungsschutzrechte im Digitalisierungsprozess. Freie offene Kulturdaten können so zum Rohstoff für neue Anwendungen werden, völlig unabhängig und jenseits der Perspektiven des Museums, das die Originale bewahrt. Eine exponentielle Kreativität basierend auf dem kulturellen Erbe kündigt sich an. Doch wie können Museen Menschen zum Mitmachen einladen? Kaum ein Museum unterhält Beziehungen zur Hackerszene. Eine Möglichkeit bietet der Programmierwettbewerb Coding da Vinci.

Transparenz in den unternehmerischen Handlungen
Der Webdesigner Nils Pooker beschreibt das Format so: Coding da Vinci ist ein seit 2014 bestehendes und als Kultur-Hackathon konzipiertes Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Digitalen Bibliothek, der Servicestelle Digitalisierung Berlin, der Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland. Ziel ist es, technik- und kulturbegeisterte Communities mit Kulturinstitutionen zusammenzubringen, um das Potenzial offener Kulturdaten von Archiven, Bibliotheken und Museen in kreative Projekte zu übertragen.
Dass sich der Begriff „Kultur-Hackathon“ für viele Menschen nach einem Oxymoron anhört, liegt daran, dass hier thematisch zwei Gebiete kombiniert werden, die in der gängigen Wahrnehmung einander zu widersprechen scheinen. Diese Trennung findet auch heute noch eine Entsprechung bei der Mehrzahl kultureller Angebote von Museen, Galerien, Theatern, Opernhäusern, Konzertbühnen und Bibliotheken. Wir sind als Besucher, Betrachter, Zuhörer oder Leser gewohnt, die dargebotenen Angebote lediglich aufzunehmen. Kulturangebote sind also eher mit medialen Konsumangeboten zu vergleichen als mit interaktiven, partizipativen und kreativen Tätigkeiten im digitalen Alltags- oder Arbeitsleben. Die Möglichkeit aktiver Partizipation oder gar von Kreativität wird sowohl von vielen Kulturträgern als auch von den Rezipienten oft nicht einmal in Erwägung gezogen.
Es liegt nahe, den Auftrag des Bewahrens als ein – grundsätzlich verständliches – Hindernis dafür zu sehen, sich mit der Kurzlebigkeit digitaler Möglichkeiten für kulturelle Zwecke zu befassen. Hinzu kommen strukturell begründete Bedenken seitens der Institutionen und methodisch konservativ orientierter Geisteswissenschaftler, die durch eine weitgehende Digitalisierung des Kulturerbes den Verlust ihrer Deutungshoheit befürchten. Das diese Bedenken unbegründet sind, daran arbeitet Coding da Vinci und überzeugt mit den Ergebnissen der Projektteams (24). Die Verbreitung offener Daten durch Open Source und Creative-Commons-Lizenzen hat bei vielen Kulturinstitutionen zu einem Umdenken geführt – unabhängig von den immer noch notwendigen Diskussionen zu Eigentumsverhältnissen der Bild- und Urheberrechte. Vor allem in vielen Museen wird wohl auch 2018 jegliche aktive Partizipation durch strikte Fotografieverbote unterbunden.
Neben ihrer Rolle als Bewahrer des Kulturerbes sind Kulturinstitutionen allerdings auch bekannt als sichere Garanten für große Mengen an seriösen Daten ihrer Forschungstätigkeiten und Sammlungen. Hier setzt Coding da Vinci an, diese Daten als offenes Rohmaterial der Aneignung durch digitale Projekte zu gewinnen. Grundvoraussetzung ist die freie Zugänglichkeit der offenen Kulturdaten, die damit nicht nur selbst zum Kulturgut werden, sondern im Gegensatz zu den physischen Objekten ebenso frei und partizipativ verwendet werden können wie die Digitalisate aus Smartphones oder Apps. Es wäre sicher ein Gewinn, wenn alle Kulturinstitutionen dieses Potenzial von offenen Daten für eigene Ideen und Projekte erkennen würden.(25) Für digitale Kulturmanagerinnen heißt das, wo immer es möglich ist, sich für Open Data einzusetzen, auch über das Projekt Coding da Vinci hinaus.
Da in der digitalen Transformation Konsumenten leichter zu Produzenten werden als je zuvor, steigt die Anzahl der an der Informationsproduktion Beteiligten in einem bis dahin nie gekannten Ausmaß. Jeder kann heute ein Video produzieren und es online stellen. Über Plattformen wie Vimeo oder YouTube erreicht es wohlmöglich ein Millionenpublikum. Unter dem Hashtag #FakeNews wird ein Phänomen verschlagwortet, das durch die Unübersichtlichkeit der Informationsquellen erst möglich wurde. Falschmeldungen und Verschwörungstheorien breiten sich schneller und vielfältiger aus denn je. Die großen Plattformen beginnen nur sehr zögerlich, ihre gesellschaftliche Verantwortung als Medienunternehmen, die vierte Gewalt im Staat, ernst zu nehmen.(26) Nur zur Erinnerung: Aufgrund dieser Verantwortung als Gegengewicht zu den drei Staatsgewalten ist die Pressefreiheit im Grundgesetz verankert. In der digital transformierten Gesellschaft sind Technologieunternehmen unvermittelt Medienunternehmen. Die Pressefreiheit gilt, doch sie beinhaltet die Pflicht, Verantwortung für die Inhalte zu übernehmen.
In der Fraktalisierung der Informationsströme ist damit die Kenntnis der Quellen wichtiger denn je. Nur wer die Quelle kennt, kann Aussagen treffen zur Relevanz und Authentizität. Sie verspricht den nötigen Kontext für die Interpretation. Die Zuordnung, Attribution, eines Digitalisats zu seinem Urheber schafft hierfür die nötige Transparenz. Ein Museum stellt ein Digitalisat eines seiner von ihm bewahrten und erforschten Artefakte in seine Online-Sammlung. Es soll gesehen werden. Es soll für das Museum wie eine Schaufensterauslage werben. Doch von dort diffundiert es auch ungewollt ins Netz. Im Netz entgleitet es der Kontrolle des Museums. Die Verbindung wird gekappt. Ein User, der ein Bild im Netz findet, kann das Abbild legal nur dann nachnutzen, wenn er weiß, wer dessen Urheber ist und wie dieser es lizensiert hat. Anderen sind solche Rücksichten weniger wichtig, das Digitalisat wird ungefragt in neue Werke eingebunden und vervielfältigt. Furcht vor Missbrauch und Entkontextualisierung lässt heute noch viele Museen mit der Öffnung ihrer Sammlungen zögern. Sie nehmen ihren Vermittlungsauftrag ernst, auf den sich die von Birken angesprochene Sicherstellung des Informationsflusses übertragen ließe. Sie verlassen sich gern auf das kleine ©-Symbol als Hüterin ihrer Sammlungen. Wird es aber künftig allein über das Urheberrecht gelingen, den Informationsfluss zwischen dem Museum und den Usern der Digitalisate sicherzustellen?
Das Modell Coding da Vinci
Bis heute betrachten die meisten Akteure in der Debatte um das kulturelle Erbe im Netz das Urheberrecht als den zentralen Dreh- und Angelpunkt. Juristisch gilt für das Gros der Artefakte aus der Zeit nach 1900 das Urheberrecht. Künstlerische Produktion schafft Werke, von denen ihre Schöpfer und ihre Erben profitieren können. Das Urheberrecht ist der Garant für die Wahrung der Wirtschaftsinteressen an der geistigen Leistung des Schöpfers. Für die schöpferischen Leistungen unserer Altvorderen gilt das Urheberrecht jedoch nicht mehr. Die Grenze der Gemeinfreiheit für Artefakte, ob Foto, Film oder Gemälde, ob Gedicht, Roman oder Werbetext, ob Melodie, Lied oder Oper, Skulptur, Designerstuhl oder Modekreation verschiebt sich konstant. (27) In diesem Jahr wurden in Deutschland alle Werke der Urheber, die vor dem 1. Januar 1948 verstarben, gemeinfrei. Das heißt, ihre Schöpfungen fließen ein in das Kulturerbe aller und beflügeln dieses. Es nach zu nutzen bedarf keiner expliziten Genehmigung mehr. Man kann es aufgreifen wie ein Volkslied, wie ein Märchen oder immaterielle Konzepte, wie die tradierten Symboltiere Adler, Stier und Bär. Gerade in der Musik fallen uns auf Anhieb viele Beispiele für die kreative Verwendung des musikalischen Erbes ein, in der Komponistinnen aus Volksmelodien neue Werke entwickeln.(28) Aber auch bildende Künstler zitieren Werke früherer Künstler umfassend. Emblematisch dürfte Andy Warhols Popart zu Leonardo da Vincis Mona Lisa sein.(29) Designer und Architekten interpretieren Formen früherer Epochen neu.(30) Reuse ist das Wesen der Kreativität schlechthin. Dennoch feiern wir unsere eigene Zeit als das Zeitalter des Remix. Einige leiten sogar aufgrund der Möglichkeiten der digitalen Techniken ein Recht auf Remix ab.(31) Und in der Tat eröffnen sich durch das digitale Angebot von Bildern, Audiodateien, Texten, Filmen etc. einem viel größeren Kreis von Menschen kreative Optionen. Über das Netz stehen alle diese Dateien mit ein paar Klicks als Rohstoff für neue Kreationen zur Verfügung. Software verhilft zu professionellen Ergebnissen, wo ehedem mühevoll über lange Zeit erworbene Kunstfertigkeit erforderlich war. Meme zum Beispiel, basierend auf bekannten Kunstwerken, verbreiten sich viral über Sprachgrenzen und Ozeane in bisher ungekannter Schnelligkeit.(32)

Ein kleiner Exkurs in das Urheberrecht
Die Kulturmanagerin findet sich im digitalen Raum oft zwischen den Stühlen. Die Interessen der Künstler zu vertreten ist nicht einfach: in einem Moment das Recht auf Remix und im anderen Moment das Urheberrecht für ein Werk, dessen Grenzen zu anderen Werken fließend sein kann. Erschwerend kommt hinzu – und das ist meines Erachtens das wirkliche Dilemma – durch die Digitalisierung auch gemeinfreier Werke können neue, so genannte Leistungsschutzrechte geltend gemacht werden, die ihrerseits die Nachnutzung der Digitalisate ebenso einschränken, wie das Urheberrecht selbst.(33) Nur Institutionen, die es wirklich wollen, achten bei der Digitalisierung ihrer Sammlungen auf die Wahrung der Gemeinfreiheit. Viele überlassen aus Unwissenheit die Leistungsschutzrechte an den Digitalisaten den technischen Dienstleistern oder wählen aus ökonomischen Gründen unfreie Lizenzen.(34)
Oft jedoch glauben sie, sie verfolgten mit ihrer Lizenzpolitik den für Institution und User gleichermaßen sinnvollen Zweck der Attribution(35) im Sinne der geforderten Transparenz zur Sicherung des Informationsflusses. Es geht also nicht um den Urheber des Originals, sondern um das so genannte Leistungsschutzrecht desjenigen, der das digitale Abbild, das Digitalisat, geschaffen hat. Lizenzrechtliche Attribution sichert den rechtlich verpflichtenden Verweis auf die Quelle des Digitalisats. Damit werden im Fall der Creative-Commons-Lizenzen für die Digitalisate keine Verwertungszwecke verfolgt, vielmehr will man man die Benennung der Quelle erzwingen. Bei der Mona Lisa weiß man, dass das Original im Pariser Louvre hängt. Das Werk ist so bekannt, dass man es auch dann als Da Vincis Mona Lisa erkennt, wenn es als Marge Simpson daherkommt. Stets verweist es auf den Louvre zurück.(36) Aber bei der fast ebenso wertvollen „Dame mit dem Hermelin“ wird die Allgemeinheit nicht wissen, dass dieses Bild seit 2017 im Nationalmuseum in Krakau ausgestellt wird. Ohne Attribution ist die Herkunft eines Abbildes nicht auszumachen. So ist es bei den allermeisten Kunstwerken und noch mehr bei allen anderen Artefakten des kulturellen Erbes. Wer sieht schon einem Foto einer historischen Flöte an, welches Museum eben dieses Instrument hegt, pflegt und erforscht? Bislang wird diese Information über die Metadaten, meist nur Fachleuten zugänglich, doch vor allem über die ©-Lizenzen verknüpft. Doch unverbrüchlich ist die Verknüpfung von Bild und Lizenzhinweis nicht. Dass Bilder im Netz eine andere Dynamik entfalten als zu Zeiten des Primats der Printmedien, bestimmt leider noch nicht die Entscheidungsmuster der Museen und Archive. Gerade über die Social-Media-Kanäle, die für eine umfassende Verbreitung von Bildern und Daten erst sorgen, geht die Lizenzinformation zu den Rechteinhabern schnell verloren. Hier braucht es im Interesse aller eine unverbrüchliche maschinenlesbare technische Lösung, die das Bilderlebnis nicht stört. Gerade durch die digitalen Medien und Techniken rücken Fälschungen immer dichter an das Original.(37) So können nicht nur harmlose Animationen von mittelalterlichen Miniaturen geschaffen(38), sondern leicht historische Quellen so verfälscht werden, dass sie das Gegenteil von dem zeigen, was sie eigentlich bezeugten.(39) Quellenkritik wird wieder zu einer elementaren Kulturtechnik, die aber neue Instrumentarien braucht. Möglicherweise ist die Kennzeichnung von Dateien über mathematisch berechnete „hashes“ und ihre Dokumentation durch Timestamps über Blockchain ein Schritt in die richtige Richtung.(40) Nur für den Nachnutzer einer Bilddatei, die dieser „googelt“, bieten diese Anwendungen noch keinen Mehrwert. Hier fehlt es an einer entsprechenden lösungsorientierten Debatte der Sammlungsleiter mit Vertretern von Digitalisierungsdienstleistern und Zivilgesellschaft: eine strategische Aufgabe für die Kulturmanagerin von morgen.

Wenn der Vorsitzende der Otto-Group, Alexander Birken, vom Management in der Digitalen Gesellschaft Flexibilität in der Reaktion auf den Markt einfordert, dann meint er die flexible Interaktion des Unternehmens mit den Wünschen der Kundschaft: Angebot und Nachfrage in ultrakurzen Zyklen.(41) Für die Kulturmanagerin im Museum ist die Interaktion mit den „Museumskunden“ eine Neuorientierung. Von dem bisherigen Vermittlungsauftrag des Museums mit einer monodirektionalen Kommunikation des lehrenden Museums mit den lernenden Besuchern gilt es jetzt, den Austausch, den Dialog, in den Mittelpunkt zu rücken.
Digitale Transformation meint daher nicht allein, neue Technologien und Medien im Museum zum Einsatz zu bringen.(42) Eine wirksame Digitalstrategie birgt die Chance auf einen radikalen Rollenwechsel: gewissermaßen vom Gleich- zum Wechselstrom. Mal ist das Museum der Geschichtenerzähler und mal ist es der Zuhörer. Mal greift es den Faden seines Gegenübers auf und webt ihn ein in das gemeinsame Narrativ zu den Objekten der Sammlung, ein anderes Mal das Museum der Impulsgeber für einen neuen Spin der Geschichte eines Museumbesuchers. Die Digitalität ist für diesen Rollenwechsel nicht zwingend, sie macht es nur wahrscheinlicher, dass er gelingt. Der Rollenwechsel eröffnet der Kulturmanagerin neue Handlungsebenen, neben den hergebrachten. Denn natürlich wollen nach wie vor viele der Museumsbesucher in erster Linie unterhalten und vielleicht ein wenig unterrichtet werden. Die Besucher der Website wollen auch 2025 mehrheitlich wissen, wann und wo sie das Haus geöffnet finden, und die Facebookfreunde versprechen sich von ihrer „Freundschaft“ meist nur aktuelle Informationen zum Ausstellungskalender.
Doch mit der Weite des Netzes steigt um ein Vielfaches die Chance mit Menschen in Kontakt zu treten, die mehr wollen. Es ist daher im Interesse des Museums, wenn Besucher im Museum fotografieren und die Bilder im Netz teilen. Eine Fotografiererlaubnis ermöglicht es dem Besucher, seine Erinnerungsfotos aus dem Museum mit seinen Twitterfollowern legal zu teilen und die Artefakte des Museums so bekannter zu machen. Das Museum profitiert, wenn Forscher, die Daten des Museums mit den eigenen verknüpfen, über die Interpretation von „Big Data“ zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangen, die das Museum wiederum für eine neue Perspektive auf seine Sammlung nutzen können. Pädagogen, die Material für ihre Lerninhalte suchen, verweisen dabei auf die museale Sammlung als Wissensquell. Künstler, die wie je Collagen aus Altem zu Neuem formen, erneuern das Interesse an den musealen Objekten. Menschen und Unternehmen, die die Digitalisate der historischen Sammlungen als Rohstoff für neue Kreationen nutzen wollen, seien es neue Websites, Videoclips oder Stoffdrucke für die Frühjahrskollektion, tragen zur Verankerung dieser historischen Inhalte in der Öffentlichkeit bei. Voraussetzung ist der offene Dialog, die Bereitschaft auf den unterschiedlichsten Wegen und Kanälen mit den unterschiedlichsten Stakeholdern ins Gespräch zu kommen. Manchmal ist es vielleicht nicht einmal ein Mensch, sondern ein Bot, der über die Schnittstelle des Museums Daten für eine Anwendung erntet.
Flexibilität in der Reaktion auf den Markt
Erforderlich für die Umsetzung einer wirksamen Digitalstrategie ist ein Paradigmenwechsel. Dieser passiert zuerst im Kopf. Die Mitarbeiter in den Museen werden zu Ermöglichern. Sie werden zum Facilitator, wie es Prof. Vogel, Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums, ausdrückte, indem sie Sorge dafür tragen, dass ihre Sammlungen digital nutzbar werden.(43) Sie stellen ihre digitalisierten Inhalte über Plattformen wie Deutsche Digitale Bibliothek, Europeana oder Wikimedia Commons der Allgemeinheit zur Verfügung, damit sie besser auffindbar sind. Denn viele der historischen Objekte gehören in die Wissensallmende. Sie sind gemeinfrei. Es liegt in der Hand der Entscheider in den Museen, ob jene durch die Digitalisierung neue Leistungsschutzrechte als Wall zwischen die Digitalisate und ihre Nutzer hochziehen oder ob sie darauf im Sinne der Nachnutzung verzichten. Zu empfehlen sind offene Creative-Commons-Lizenzen, die selbst Maschinen eindeutig kommunizieren, zu welchen Konditionen die Inhalte nachnutzbar sind.(44)
Gerade in Bezug auf Laien, werden die Rollen im Austausch mit den Museen künftig stärker im Fluss sein: in einem Moment nur Unterhaltung suchender Besucher, im nächsten Moment Beitragender auf professionellem Niveau. Wie auch in den Wissenschaften Citizen Science wachsende Bedeutung gerade durch die neuen digitalen Technologien erfährt(45), wird die Erfüllung der Wünsche nach Teilhabe und Dialog mit Macht von der Gesellschaft an Museen und Archive herangetragen werden. Auch darauf muss sich die Kulturmanagerin einstellen.
Das Museum im digitalen Raum muss sein Profil schärfen. Im städtischen Raum ist das Museum durch seine Architektur präsent. Es kann den Veranstaltungskalender einer Stadt, einer Region, in seltenen Fällen darüber hinaus, mit seinen spektakulären Ausstellungen dominieren. Einzelne Exponate sind idealiter Publikumsmagnete, die Besucher locken. Im Netz hingegen stehen Nofretete, Anne Frank, Mutter Theresa oder Madonna unterschiedslos nebeneinander.(46) Architektur oder Ausstellungen sind nicht die relevanten Währungen im Netz. Wohl aber vor allem klare und verlässliche Kommunikation auf den unterschiedlichsten Kanälen als Sender und Empfänger, offene Schnittstellen, die den Austausch erlauben, Angebote zur Partizipation, der Grad der Vernetzung und deren Art tragen ebenfalls zum Profil bei und nach wie vor der gute Service. Die Servicequalität berührt die Aktualität der Website, ebenso wie eine gute Dokumentation der Exportoptionen der Online-Sammlung, aber auch die aktive Präsenz in den sozialen Medien. Christian Gries, Museumsberater, schreibt: „Ein überzeugendes Profil ist authentisch, strategisch geplant, zielgruppenorientiert, strukturiert, entsteht nicht aus der Überlast oder Not und (gut gemeintem und womöglich sogar bemühtem) Dilettantismus. Ein überzeugendes Profil ist mit Verantwortung und fundierter Sicht auf das Publikum entworfen, spiegelt nicht nur das Organigramm oder die Abteilungen bzw. Hierarchien eines Hauses, es hat deutliche Rückbindung ins Haus und ist mit ausreichend Budget und zeitlichen, menschlichen Ressourcen entworfen. Es ist reaktionsfähig, gut geplant und wird mit Kompetenz und professionellen Instrumenten geführt.“(47)
Noch deutlicher gesagt: An die Kulturmanagerin im Museum des digitalen Wandels werden hohe Kommunikationsanforderungen gestellt.(48) Modulare sich gegenseitig verstärkende Kommunikationsarchitektur, bewegendes Storytelling, hohe Kommunikationsfrequenz, zielorientierter Mediamix, dialogfokussierte und möglichst persönliche Kommunikation sind die Schlüsselbegriffe, die diese Anforderungen definieren.
Das Kapitel hat in fünf Bereichen die Anforderungen an die digitale Kulturmanagerin umrissen. Zum Ende möchte ich noch einmal auf die „digital literacy“ zurückkommen: Eine exzellente Allgemeinbildung gehörte schon immer zum Rüstzeug einer guten Kulturmanagerin. Im digitalen Wandel ist „digital literacy“, oft mit digitaler Kompetenz übersetzt, Teil der Allgemeinbildung. Doch was bedeutet das? Muss man in der Lage sein, komplizierte Algorithmen schreiben zu können? Oder muss man flüssig Quellcode lesen und ein Konzept für eine Datenbank aufsetzen können? Vermutlich nicht zwingend, aber die Kulturmanagerin muss zumindest wissen, wie eine Datenbank funktioniert und wo sie im Quellcode die Bildinformation findet. Digitale Kompetenz meint auch, relativ problemlos unterschiedliche Software auf unterschiedlichen Betriebssystemen für ähnliche Anwendungen gebrauchen zu können. Und wie offene Formate und Lizenzen die Nachnutzung von Digitalisaten und damit ihre Sichtbarkeit fördern, sollte man verinnerlicht haben. Man muss zwar nicht auf allen Social-Media-Kanälen aktiv sein, doch die Social-Media-Funktionsprinzipien – Reply, Reputation & Reward – sollte man beherrschen. Ebenso sollte die Kulturmanagerin die Instrumente der digitalen Quellenkritik bedienen können. Die Digitalität ermöglicht nicht nur vielfältigere Kommunikation über die unterschiedlichsten Grenzen von Sprache, Disziplin, Zeitzonen und Kulturen hinweg, sondern fordert diese auch ein und macht sie erforderlich.
Allgemeiner gesprochen: Für die digitale Kulturmanagerin sind
gute Analyse-, Kommunikations-, und Teamfähigkeit sowie
Lösungsorientierung stärker gefordert als bisher in den akademisch
geprägten Berufen, die bislang mehr erlernte Sachkenntnisse in den
Vordergrund stellten.(49) Anbetracht der bislang rasanten
technologischen Entwicklung ist die Rede vom lebenslangen Lernen eine
notwendige Erfordernis, die einen schon mal an den Rand der ausgewogenen
Work-Life-Balance bringen kann. Persönlich glaube ich, dass Letztere
sowieso nur mit einer geringeren Stundenzahl für Vollzeit möglich sein
wird. Die Flexibilität, die gefordert wird, sowohl was Arbeitszeiten als
auch Aufnahmekapazitäten und Kommunikationsbereitschaft anbelangt, kann
nicht dauerhaft bei gleichbleibend hoher Qualität erbracht werden, wenn
es nicht entsprechende Pausen und Regenerationsphasen gibt. Die Arbeit
verdichtet sich schon seit Jahren, und in der digitalen Transformation
erhöht sich nicht nur die Schlagzahl, sondern auch deren Intensität. Es
erscheint mir daher nur folgerichtig, dass man die absoluten
Arbeitszeiten reduziert. Ob sich die 35-Stunden-Woche allerdings im
stets prekären Kulturbereich durchsetzen lässt, liegt an uns
Kulturmanagerinnen.
Die Perspektiven für Kulturmanagerinnen im digitalen Wandel sind gut:
Tolle Aufgaben, abwechslungsreich und intellektuell anregend. Wer will
da nicht dabei sein?
Anforderungen an die Kulturmanagerin der Zukunft