1933 schrieb Federico García Lorca ein Theaterstück mit dem Titel „Amor de Don Perlimplín con Belisa en su jardín“, woraus der in Heidelberg lebende Komponist Wolfgang Fortner eine Kammeroper schuf, die 1962 in Schwetzingen uraufgeführt wurde. Sie erlebt im Frankfurter Bockenheimer Depot eine großartige Wiederentdeckung, findet Stefana Sabin.
Die Bühne im Bockenheimer Depot zeigt eine breite Sitzlandlandschaft mit Regalen an einem Ende; rechterhand ist eine Art Skulptur, die ein bißchen einen Baum und auch eine riesige Blüte suggeriert (Bühnenbild Christoph Fischer), also auf den Titel der Oper von Wolfgang Fortner hinweist: „In seinem Garten liebt Don Perlimplin Belisa“, so die Übersetzung von Federico Garcia Lorcas Stück „Amor de Don Perlimplín con Belisa en su jardín“.
Die Handlung also spielt in einem Garten, wo der ältere Don Perlimplin in gediegener Einsamkeit sich die Tage mit Lesen vertreibt, bis ihn seine Haushälterin zur Heirat mit der jungen Sängerin Belisa überredet. Die Ehe ist kurz. Belisa soll schon in der Hochzeitsnacht fremde Männer empfangen haben, verliebt sich dann aber in einen jungen Mann, der immer wieder am Gartenzaun vorbeiläuft, dessen Gesicht sie aber nie erkennen kann. Als sie eines Nachts auf den Geliebten wartet, erscheint Don Perlimplin, gibt vor, den Rivalen aus dem Garten vertreiben zu wollen, und kehrt schwer verletzt zurück. Als er in seinem Garten stirbt, erkennt Belisa, dass der Unbekannte, in den sie sich verliebt hatte, ihr Mann war.
Was als Farce über die Liebe eines älteren Mannes zu einer jungen Frau beginnt, wird zur Tragikomödie über Begehren und unerfüllte Sehnsucht, in der sich der Betrogene als der wahre Liebende entpuppt und mit seinem Selbstmord die Liebes-Fantasie seiner Geliebten zu erhalten versucht. So inszeniert Dorothea Kirschbaum die Oper als aufwühlendes Liebesdrama, das mit Liebesselbstmord endet.

Garcia Lorca nannte sein Stück „aleluya erotica“ und griff damit auf eine spanische (genauer: katalanische!) Verserzählungsart zurück, die als Mischung aus Heiligenlegende und Alltagsgeschichte populär war. Auch den Namen des Protagonisten entnahm Lorca einer populären ‚aleluya‘ und er gestaltete ihn zu einer karikaturhaften Verdichtung aus einem Heiligen, der sich nach dem Abendmahl im Garten selbst opfert, und einem Helden, der für die Liebe stirbt. Auch sprachlich bewegt sich das Stück zwischen religiöser Emphase und Liebeslyrik – eine Gratwanderung, die die Übersetzung und das Libretto nicht ganz wiedergeben.
Lorca, der auch selbst komponierte, hatte die Handlung durch
musikalische Intermezzi strukturiert und tatsächlich wurde das Stück
mehrmals zur Oper gestaltet. Es gibt mehr als zehn Opern nach Lorcas
Stück. Fortner hat die Übersetzung von Enrique Beck für sein Libretto
benutzt und ein Seelendrama komponiert, das 1962 in Schwetzingen
uraufgeführt und sehr erfolgreich wurde, später aber in Vergessenheit
geriet. Nun ist diese kurze Oper ̶ etwa – 90 Minuten – wiederentdeckt
worden. Für die vier Bilder des im Untertitel angekündigten erotischen
Bilderbogens schuf Fortner, ein Wegbereiter der Neuen Musik, jeweils
zwölftönige Stücke, ein lyrisches Scherzo, ein Nachtstück, ein Duett und
eine Serenade, und wechselte zwischen strenger Form und freier
Improvisation.
Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von
Takeshi Moriuchi verleiht der Musik eine beeindruckende atmosphärische
Dichte. In den Titelpartien brillieren Karolina Bengtsson als Belisa und
Sebastian Geyer als Don Perlimplín. Bengtsson bleibt durch alle
Stimmmungswechsel der Musik schauspielerisch wie stimmlich souverän, und
Geyer gibt einen einnehmenden Don Perlimplin, der zwar schrullig, aber
nie lächerlich ist und dessen Liebesnot geradezu herzzerreißend
wirkt.
So gelingt der Oper Frankfurt mit dieser wunderbar stimmigen Inszenierung eine tatsächliche Wiederentdeckung der ehedem erfolgreichen Kammeroper eines ehedem erfolgreichen Komponisten.