Vorhersagen bewahrheiten sich selten – so auch in der Oper von György Ligeti, „Le Grand Macabre“, die 1978 in Stockholm uraufgeführt wurde und sich seitdem in einer von Komponisten 1996 revidierten Fassung auf den Opernbühnen durchgesetzt hat. Nun wurde Ligetis einzige Oper mit einer fast dreijährigen, coronabedingten Verspätung an der Oper Frankfurt inszeniert. Stefana Sabin war bei der Premiere.
Es beginnt mit einem beeindruckenden Bühnenbild: ein Stau unter einer Autobahnbrücke, an der rechten Seite ein Werbebildschirm, auf dem als breaking news die bevorstehende Zerstörung der Erde durch den Aufprall eines Kometen angekündigt wird (Bühnenbild Zinovy Margolin). Diese Ankündigung ruft am Hof von Fürst Gogo im Breughelland, einem korrupten Schlaraffenland, weniger Panik hervor als eine ungebändigte Feierlaune, und tatsächlich wird im dritten Bild eine orgiastische Weltuntergangsparty gefeiert, bei dem Untertanen und Verwaltungsleute in ausgefallenen Kostümen erscheinen (Kostüme Olga Shaishmelashvili). Dass am Ende der Komet an der Erde vorbei zischt und der Weltuntergang nicht stattfindet, bestätigt alle nur darin, dass sie ihr frivoles Leben weiterführen sollen. „Die Moral von der Geschicht’“ heißt es dann: „Fürchtet den Tod nicht, gute Leut’ / Irgendwann kommt er, doch nicht heut’ / Und wenn er kommt, dann ist’s soweit, / Lebt wohl so lang in Heiterkeit.“

Das
Ganze ist eine Groteske über eine triebgeleitete Gesellschaft, ihr
drohendes Ende und ihr sühneloses Überleben – eine „Anti-Anti-Oper“, wie
der Komponist György Ligeti (1923-2006) in einer dialektischen Volte
seine Oper „Le Grand Macabre“ nannte. Für das Libretto bearbeitete
Ligeti zusammen mit dem Regisseur Michael Meschke ein Stück des
frankophonen flämischen Dichter Michel de Ghelderode „La Blade du Grand
Macabre“, woher der französische Titel stammt (aber die Originalsprache
des Libretto ist deutsch, so dass es ein bisschen verwundert, warum man
in Frankfurt englisch singt).
De Ghelderode war ein Vertreter des Theater des Absurden, und so werden
Elemente des Theaters des Absurden, der commedia del’arte, des
Mysterienspiels und der Rocky Horror Picture Show zu einer
unterhaltsamen Handlung, dessen Längen der russische Regisseur Vasily
Barkhakov in seiner Frankfurter Inszenierung mit vielen amüsanten und
effektvollen Einfällen kontrakariert.
Entsprechend der literarischen Vorlage schuf Ligeti unterkomplexe
Figuren und Situationen, für die er eine umso komplexere Partitur
komponierte, die die bürgerlichen Hörgewohnheiten strapaziert. Denn
darin wechseln sich Sprechtexte, Koloraturarien, rhythmisierter Gesang,
zitathaften Phrasen, Clusterbildungen ab und stellen für Sänger und
Orchester eine Herausforderung dar. In Frankfurt wird gesungen und
gespielt auf allerhöchstem Niveau. Die Sopranistin Anna Nekhames in
einer Doppelrolle scheint fast die stimmlichen Grenzen zu sprengen,
hervorragend auch Elizabeth Reiter als Amanda und Karolina Makula als
Amando – alle Ensemblemitglieder wie der Tenor Peter Marsh, der sich
wieder einmal als beeindruckend wandlungsfähig erweist. Auch der Bariton
Simon Neal brilliert in der Rolle des unheimlich-komischen des
Höllenfürsten Nekrotzar – und alle anderen Sänger ebenso wie der Chor
unter der Leitung von Tilman Michael gaben großartige Leistungen. Und
Thomas Guggeis am Pult führte sein Orchester von der „Toccata für zwölf
Autohupen“ am Anfang bis zur Passacaglia am Ende durch alle
Tempo-Wechsel mit stilistischer Sicherheit – und holte es zu recht zum
Schlussapplaus auf die Bühne. Und das Publikum belohnte alle geradezu
enthusiastisch.