Obwohl die Uraufführung 1898 in Mailand und die deutsche Erstaufführung 1899 in Mainz Erfolge waren, geriet Umberto Giordanos Fedora in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit. Im 21. Jahrhundert wurde diese Verismo-Oper wiederentdeckt. Stefana Sabin hat die gelungene Inszenierung von Christoph Loy mit Nadja Stefanoff und Jonathan Tetelman in den Hauptrollen in Frankfurt gesehen.
Die Bühne
zeigt einen aristokratischen Salon: Wände und Türen sind mit Brokat
tapeziert, an der Rückwand hängt ein riesiger Goldrahmen, der kein
Gemälde einrahmt, sondern je nach Regiebedarf als Projektionsfläche für
fingierte Live-Aufnahmen dient oder den Blick in einen anderen Raum
freigibt. Wie in einem traditionellen Gesellschaftsstück gibt es links
und rechts jeweils eine Tür, durch die die Personen rein- und rausgehen.
Es ist ein scheinbar einfaches und dabei sehr effektvolles Bühnenbild,
das Herbert Murauer für die Inszenierung der Oper Fedora von Umberto
Giordano geschaffen hat.
Die Handlung beginnt in Sankt Petersburg im Winter, wo Fürstin Fedora in
einem majestätischen roten Taftkleid und weißer Pelzjacke (auch die
Kostüme hat Herbert Murauer entworfen) den Salon betritt und kaum, dass
sie die Jacke ausgezogen hat, ihren soeben ermordeten Verlobten beweinen
muss. Die Polizei glaubt an ein politisches Attentat, Fedora schwört
Rache.
Die Handlung setzt sich fort im Frühling in Paris, wo Fedora, nun in einem eleganten schwarzen Spitzenkleid, auf einem Ball mit dem russischen Adeligen Loris Ipanov zusammentrifft, der der mutmaßliche Attentäter ist – und der ihr seine Liebe eingesteht und um ihre Liebe wirbt. Die kurze Arie „Amor ti vieta di non amar“ (Die Liebe verwehrt dir, nicht zu lieben) ist der Schlager dieser Oper – die Arie, mit der sich Enrico Caruso bei der Uraufführung 1898 zu Weltruhm katapultierte und die seitdem alle Star-Tenöre singen (wie man auf YouTube sehen und hören kann!). Zwar verlieben sich die beiden ineinander, aber Fedora ist auch zaristische Spionin und Rachegöttin, und noch bevor Loris ihr die wahren Hintergründe des Attentats erklären kann, schickt sie einen denunziatorischen Brief an die zaristische Polizei.
Aber die Liebe siegt – zuerst jedenfalls. So verbringen die Geliebten den Sommer im Berner Oberoberland, bevor ihr Glück durch eine Nachricht aus Russland jäh gestört wird. Denn darin erfahren sie, dass der Bruder von Loris wegen einer Denunziation verhaftet und in Haft gestorben ist. Voller Schuldgefühle bringt sich Fedora um.
Wie es zu einem Melodram gehört, stirbt also der Sopran in den Armen des Tenors, nur, daß Fedora in dieser Inszenierung im Bühnenhintergrund stirbt, während Loris vorne auf der Bühne verzweifelt, was aber die Dramatik des Schlusses kaum schmälert.
Denn dank einer geschickten Personenführung (szenische Leitung: Anna Tomson) und einer sparsamen Regie (Inszenierung: Christoph Loy) werden Liebesglück und -unglück in spannungsgeladene Szenen eingebettet und dramaturgisch wirkungsvoll durch kleine amüsante Episoden (so wenn, der französische Diplomat und die russische Emigrantin zu einer Fahrradtour aufbrechen) aufgelockert.
Die gelungene Inszenierung wird aber vor allem durch ein
großartiges Sängerensemble und das Orchester unter der Leitung von
Lorenzo Passerini getragen. Passerini, der erstmals an der Oper
Frankfurt gastiert, führte das Orchester durch die süffige Musik des
Petersburger Salons, die melancholischen Töne der Pariser Ballszenen und
die subtile Dramatik von Verzweiflung und Tod. Das Ensemble wirkt in
den vielen Nebenrollen überzeugend und die beiden Hauptdarsteller, Nadja
Stefanoff als Fedora und Jonathan Tetelman als Loris, sind geradezu
absolut überragend.
Die Sopranistin Nadja Stefanoff, die zum Ensemble des Staatstheaters
Mainz gehört und erstmals an der Oper Frankfurt auftritt, und der Tenor
Jonathan Tetelmann, der erst kürzlich einen umjubelten Cavaradossi in
Wien gab, wirken wie ein Opern-Traumpaar: mit starken und geschmeidigen
Stimmen und einer großen Bühnenpräsenz.
Und das Publikum leistete ihnen und dem ganzen Ensemble langen, begeisterten Beifall.