Es gibt Zeitschriften und Bücher, deren Bedeutung in der Literaturgeschichte Deutschlands nicht überschätzt werden kann und die sich alle dem mutigen Verleger Torsten Metelka verdanken. Das betrifft nicht nur das politische Wagnis, sondern das Selbstverständnis, dem Publikum anspruchsvolle Literatur zuzumuten. Jakob Ullmann erinnert an den verstorbenen Publizisten.
Wieder ein Verlust! Und
wieder ein Verlust, der eine Lücke hinterlässt, die auch deshalb so
merklich bleiben wird, weil kaum zu sehen ist, wie sie geschlossen
werden könnte.
Kurz vor Jahresende verstarb der Verleger und – im besten Sinne des
Wortes – Buch-Macher Torsten Metelka in seiner Berliner Wahlheimat. Im
August war Krebs bei ihm diagnostiziert worden, am 28. Dezember erlag er
seiner Krankheit.
Vielleicht erinnert sich noch der eine oder die andere aus der Verlagsbranche an diesen gleichzeitig stets freundlichen und dennoch klaren, hoch gebildeten und mit weitem Horizont ausgestatteten Agenten für in jeder Hinsicht gute Bücher, d.h. Bücher, deren Layout ebenso überzeugte wie ihr Inhalt von Wichtigkeit war, deren klare und erkennbare Linie keineswegs eine Einschränkung der betrachteten Areale von Kunst, Wissen und gesellschaftlicher Relevanz bedeutete.
Wer war Torsten Metelka? 1960 in Dresden geboren, denkmalpflegerisch, ab 1983 am Berliner Dom tätig, konzipierte gemeinsam mit Benn Roolf in seiner Zeit als sog. „Bausoldat“ die regelmässige Publikation von Texten, die in der DDR keine Chance auf offizielle Veröffentlichung hatten. Im Februar 1988 erschien zum ersten Mal eine Ausgabe von „Kontext. Beiträge aus Politik, Gesellschaft und Kultur“. Dass diese Zeitschrift gleich zu Beginn eine Auflage von ca. 1000 Exemplaren erreichte, hing nicht nur mit der sorgfältigen Vorbereitung des Starts zusammen, sondern auch damit, dass Torsten Metelka weitgehende Unterstützung der evangelischen Bekenntniskirche in Berlin-Treptow erhielt. Dabei spielte auch der Kreis der „Berater“ dieser Zeitschrift eine wichtige Rolle: Elke Erb gehörte zu ihnen, Wolfgang Ullmann, Ulrike Poppe, Konrad Weiss (alle drei später wichtige Personen der Bürgerrechtsbewegung „Demokratie jetzt“). Einer der wichtigsten Aufsätze, die Torsten Metelka in dieser Zeitschrift noch zu DDR-Zeiten veröffentlichte, war der Text von Konrad Weiss, der 1989 unter dem Titel „Die neue alte Gefahr. Junge Faschisten in der DDR“ erschien. Bis zum Ende der DDR erschienen sieben Ausgaben, nach deren Ende soll die Auflage der nun aufwendig gestalteten, offiziell vertriebenen Zeitschrift zeitweise ca. 10 000 Exemplare erreicht haben.
Es war folgerichtig, dass Torsten Metelka, nachdem das Erscheinen der Zeitschrift nicht mehr finanzierbar war, sich im Kontext-Verlag zuerst auf Autoren und Künstler verliess, mit denen er bereits durch die Arbeit an der Zeitschrift freundschaftlich und inhaltlich verbunden war. Annett Gröschner (ein weiteres Buch von ihr wurde im Jahr 2000 als „schönstes Buch“ ausgezeichnet) veröffentlichte ihre Gedichte gemeinsam mit Photographien Tina Baras („Herzdame Knochensammler“), womit Torsten Metelka an eine besondere Tradition osteuropäischer Samisdats anzuknüpfen gedachte. Aufgrund des Verlagsrechts hatten sich Maler, Graphiker und Schriftsteller zu gemeinsamen Publikationen zusammengetan, die, wenn sie die Zahl von 99 Exemplaren nicht überschritten, nicht der für Verlagspublikationen geltenden Zensur unterlagen.
Es erschienen in rascher Folge Bücher von Edelbert Richter,
Ehrhart Neubert, Wolfgang Ullmann, eine Zusammenfassung von Texten der
Zeitschrift „Kontext“ („Alles im Untergrund ist obenauf“). Das
Erscheinen des Buches von Boris Kargalitzky machte deutlich, dass sich
Torsten Metelka keineswegs auf die Pflege ostdeutscher
Revolutionserzählungen zu beschränken gedachte. Im Kontext-Verlag
erschienen Bücher über Gertrud Kolmar und vor allem eines über Uwe
Johnson (nach Torsten Metelkas Aussage mir gegenüber der einzige
wirklich finanzielle Erfolg des Verlages) , das unter dem Titel „Wo ich
her bin…“ von Roland Berbig und Erdmut Wizisla herausgegeben
wurde.
In grosser Solidarität zu Freunden und Weggefährten erweiterte Torsten
Metelka den thematischen Horizont des Verlages beträchtlich, wenn er
Bücher wie die „Müntzer-Studien“ von Wolfgang Ullmann (und sogar dessen
dreibändiges Werk zur Geschichte von Dogma und Bekenntnis der Kirche,
dessen Satz von Torsten Metelka noch vorzüglich abgeschlossen wurde,
obwohl klar war, dass dieses Werk im Kontext-Verlag nicht mehr würde
erscheinen können) oder meine Dissertation mit ihrer stark
musikgeschichtlichen Ausrichtung publizierte.
Eines der wichtigsten Anliegen von Torsten Metelka aber war eine verlässliche deutsche Ausgabe der Werke des russischen Mathematikers, Physikers und Theologen Pavel Florenskij. Was für eine Herkulesaufgabe sich der Verleger da zugemutet hat, das kann man noch heute an dem Editionsplan von 1997 ablesen, der eine Florenskij-Ausgabe in 10 Lieferungen vorsah, die zusätzlich auch noch durch die aktuellen Forschungsergebnisse zu Florenskij, seinem Werk und Denken in „Appendix-Bänden“ ergänzt werden sollte. Dass dabei auch die tiefdunklen Flecken auf der Weste Florenskijs nicht übergangen oder gar vertuscht wurden, verwundert bei einem derart genauen und korrekten Buch-Macher, wie es Torsten Metelka war, ganz und gar nicht. Einige der Florenskij-Bände sind erschienen; leider ist es bis zu Torsten Metelkas Tod nicht gelungen, das philosophisch/theologische Hauptwerk Florenskijs „Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“ zu publizieren, zu gross waren die editorischen Herausforderungen, die dieser Text mit sich brachte.
Als Torsten Metelka schweren Herzens die Arbeit des
Kontext-Verlages einstellen musste (die website bestand immer noch
weiter), hat er seine Fähigkeiten und sein Engagement dem Berliner
Verlag Matthes&Seitz zur Verfügung gestellt. Nicht nur dieser
Verlag wird den hochbegabten Buch-Macher vermissen.
Ein Blick in eines der von Torsten Metelka publizierten Bücher könnte
heutige Verleger und Buch-Macher durchaus anspornen, dem Buch auch
dadurch wieder mehr Wertschätzung gerade in Zeiten digitaler
Herausforderungen zukommen zu lassen, indem das Buch in all seinen
Aspekten als Kulturgut gestaltet und wertgeschätzt wird. Torsten Metelka
hat hierfür Massstäbe gesetzt.
Nicht nur Freunde und Profiteure seiner Arbeit, sondern alle am Buch und an Büchern Interessierten sollten ihm dauerhaft dankbar sein und sein Andenken ehren.